Wenn die Medizin ausgeht — Lieferengpässe bei Arzneimitteln
Die Meldungen über Probleme in Apotheken häufen sich. Grund ist unter anderem eine gestiegene Nachfrage in China.
Berlin. Es ist die Horrorvision vieler chronisch kranker Menschen: Sie brauchen ein Medikament, es kann aber nicht geliefert werden. Auch wenn die Arzneimittelversorgung in Deutschland auf einem hohen Niveau ist: In letzter Zeit häufen sich Berichte über Lieferengpässe bei Präparaten.
Alarm schlug zuletzt der hessische Apothekerverband. Er fragte 430 Apotheken nach Lieferengpässen. Das Ergebnis: Pro Apotheke gab es durchschnittlich 40 Medikamente, die zeitweise nicht geliefert werden konnten.
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) warnt: „Für den Patienten kann ein Lieferengpass sogar eine Verschiebung oder Umstellung der Therapie bedeuten, worunter das Vertrauen in das Arzneimittel und die Therapie leidet.“ Bundesweite Vergleichszahlen zu Engpässen gibt es aber nicht.
Bundesregierung und Pharma-Industrie versuchen zu beruhigen. Nicht jeder Lieferengpass bedeute gleich, dass es ein bestimmtes Medikament in der Apotheke nicht mehr zu kaufen gebe, erklärt das Bundesgesundheitsministerium. In den meisten Fällen gebe es Alternativen, mit denen Engpässe überbrückt werden könnten.
Darauf weist auch der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen vfa hin. Als Beispiel nennt Siegfried Throm, Geschäftsführer des Forschungs- und Entwicklungsbereichs, bestimmte Schilddrüsen-Präparate.
Zwei Anbieter hätten zwar momentan Lieferschwierigkeiten, die Mittel könnten aber auch von drei weiteren Herstellern bezogen werden. „Wohl wissend, dass die Einstellung von Schilddrüsenpatienten nicht ganz trivial ist“, räumt er ein. Wechseln sollten Patienten diese Medikamente daher nur mit Vorsicht.
Die Schilddrüsen-Mittel sind laut vfa auch deshalb knapp geworden, weil die Nachfrage aus China gestiegen ist.
Die chinesische Regierung habe die staatlichen Leistungen in der Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung stark ausgeweitet und entsprechende Präparate in ihren aktuellen Fünf-Jahres-Plan aufgenommen. „Sie können sich vorstellen, welchen Nachfrageschub das auslöst, wenn Hunderte von Millionen Chinesen plötzlich Zugang haben zu solchen Arzneimitteln“, erklärte Throm vom Verband vfa weiter.