Wilmont Schulze: Er macht die Geräusche zum Film
Ohne ein Rascheln, Schlurfen oder Knistern wirken Filmszenen leblos. Der Kölner Wilmont Schulze löst das Problem.
Köln. "Mein Bruder macht im Tonfilm die Geräusche." So heißt ein schmissiger Schlager aus den 20er Jahren. Den Beruf gibt es bis heute, trotz der gut bestückten digitalen Archive. "Ich bin einfach hundert Mal schneller, weil ich es sofort synchron zum Bild machen kann", sagt der Geräuschemacher Wilmont Schulze - einer von rund 25 in Deutschland.
Schließlich lebt ein Film nicht vom Dialog allein: Papier raschelt, wenn ein Brief aufgerissen wird, Milchkaffee schäumt in einen Becher, ein Schlüssel klimpert. Normalerweise achtet man beim Zuschauen nicht darauf. Doch wenn diese kleinen Geräusche fehlen, wirkt eine Szene sofort hölzern. Also knetet Schulze vor dem Mikrofon ein Stück Leder - denn auf dem großen Bildschirm im abgedunkelten Kölner Studio besetzt Annette Friers in ihrer neuen Sat.1-Serie gerade einen Massage-Sessel mit Lederbezug.
Für die nächste Szene lässt er einen Mann schwer schreiten, die Absätze eines Frauenschuhs klickern, einer älteren Dame unterlegt er ein klitzekleines Schlurfen - alles in den selben Schuhen auf einer Platte, aber mit großer Geschmeidigkeit in den Knien. Wenn die Schauspielerin in einer Bluse zu sehen ist, reibt der Geräuschexperte Baumwolltücher gegeneinander: "Das hört man kaum, aber es schafft ein Gefühl von Nähe."
Ein Lehrberuf ist Geräuschemacher nicht. Wilmont Schulze fing Feuer, als er ein Praktikum machte. Danach war er auf sich selbst angewiesen, "denn in der Branche herrscht große Geheimniskrämerei". Man sollte über Schnitt und Ton Bescheid wissen. Als weitere Voraussetzungen nennt er Musikalität, handwerkliches Geschick, Kreativität und schnelles Reaktionsvermögen.
Der 51-Jährige mit der sehnigen Silhouette eines Langstreckenläufers hält sich fit mit Joggen, Krafttraining und Rückengymnastik. Die Beinarbeit für die Schrittfolgen ist anstrengend, "außerdem muss ich oft schwer heben" - etwa wenn er mit Koffern voller Utensilien zu Produktionsfirmen fährt.
Regelmäßig versieht er den ZDF-Krimi "Ein Fall für Zwei" mit Geräuschen. Zwölf Stunden braucht er für eine 60-minütige Folge. Für einen "Tatort" sitzt er drei Tage im Studio: "Das sind noch mal andere Ansprüche." Doch auch in der Filmbranche wird gespart, und da ist der Ton nach Schulzes Erfahrung oft das Stiefkind: Es gibt immer weniger Budget und Zeit. Dennoch kann er sich nach 20 Berufsjahren "nichts Schöneres vorstellen".
Normalerweise macht Schulze die passenden Töne zum Bild. Für das WDR5-Hörspiel "Die Tore der Welt" musste er einen Schritt weitergehen. Neben den Sprecherstimmen soll Schulzes Kunst erst die Bilder im Kopf der Zuhörer entstehen lassen. Wochen vor der Produktion hat er deshalb das 600 Seiten starke Skript bekommen und sich zu jedem Dialog Notizen gemacht: Schon über die Schwere des Schritts entscheidet er, welchen Charakter eine Figur bekommt. Er musste sich auch überlegen, wie er einen Schwertkampf unter drei Soldaten mal aus nächster Nähe, mal aus dem Blick von Kindern im Gebüsch vertont.
Wenn Wilmont Schulze die Tür des Studios zuzieht, klappt er auch seine Ohren zu. Er kann entspannt Filme gucken, braucht zuhause keine Inseln der Stille. Nur dröhnende Konzerte "gehen gar nicht mehr", dabei war er früher selbst Musiker. "Aber meine Ohren sind jetzt sehr empfindlich. Und am nächsten Morgen muss ich ja wieder alles hören." Jedes Schlurfen, jedes Lederknirschen.