Winnetou reitet wieder in Bad Segeberg
Bad Segeberg (dpa) - Deutschlands TV-Prominenz scheint sich wohl zu fühlen im Wilden Westen am Kalkberg: Erol Sander, der wohl schönste Winnetou, den die Karl-May-Spiele von Bad Segeberg je hatten, begeistert zum Start in die Jubiläumssaison ebenso wie die drei Neulinge in der Prärie.
Marek Erhardt, der ewig Gute aus dem Fernsehen, darf endlich mal richtig böse sein. Die scharfzüngige Kabarettistin Lisa Fitz tanzt singend und Gitarre spielend zu „Oh, Susanna“ durch die Arena. Und Markus Majowski glänzt in einer Paraderolle als schräg-schrulliger Kantor.
Mit dem Klassiker „Der Ölprinz“ haben die Karl-May-Spiele am Samstagabend ihre Spielzeit gestartet - und von den mitunter prominenten Zuschauern wie Komiker Karl Dall und TV-Produzent Wolfgang Rademann minutenlangen Applaus erhalten. Es ist die 60. Wildwest-Saison in dem 15 000 Einwohner zählenden Städtchen im Süden Schleswig-Holsteins, wo die Abenteuer Karl Mays (1842-1912) alljährlich im Sommer die fünfte Jahreszeit einläuten. Dann strömen hunderttausende Zuschauer zu den Aufführungen in dem knapp 8000 Plätze fassenden Freilichttheater.
Mehr als neun Millionen Besucher kamen seit 1952. Weil sich Winnetou damals gegen Jung Siegfried durchgesetzt hat - in der finalen Abstimmung der Stadtverwaltung. Eine Theatergruppe wollte vor der Kulisse des imposanten Kalkbergs die Nibelungen-Sage in Szene setzen, doch der Apachenhäuptling siegte. Noch vor der Karl-May-Welle in den Kinos der 60er Jahre, wo Pierre Brice als edelster aller Indianer seine großen Auftritte hatte. Brice gab von 1988 an auch vier Spielzeiten lang in Bad Segeberg den Winnetou, ihm folgte Gojko Mitic - Indianer-Idol des Ostens - mit 15 Einsätzen.
Im fünften Jahr reitet nun Sander auf „Iltschi“ mit der Silberbüchse in der Hand durch die Arena - und das Publikum scheint ihn zu lieben. Kaum erscheint er das erste Mal, gibt es „Ahs“ und „Ohs“, Applaus sowieso. Will das Pferd mal nicht, wie er will, oder verspricht er sich, grinst er selbst - und die Zuschauer mit. Dass das Wetter nicht immer wie am Premierenabend mitspielt - nicht warm, aber trocken - scheint den TV-Star („Mordkommission Istanbul“) nicht zu stören: Bis 2012 hat er verlängert, mit Option auf 2013.
Jede Menge Pulverdampf und Explosionen, Stunts und Zweikämpfe gibt es vor der Kulisse des für 500 000 Euro neu errichteten zusätzlichen Kunstfelsens. Auch indianische Riten und Tänze werden gezeigt, gern auch als Massenszene: Insgesamt 80 Mitwirkende gibt es vor und hinter den Kulissen der 3,9-Millionen-Euro-Produktion - und jede Menge Tiere. Zum deutschen Siedlertreck in Arizona etwa, den die energische und „Kruzifix“-fluchende Bayerin Rosalie Ebersbach (Fitz) anführt, gehören Schafe, Ziegen, Hühner und ein Rind. Kantor Hampel (Majowski) zieht mit Esel „Rigoletto“ in den Wilden Westen.
Was wäre Winnetou ohne die Musik? Über die Karl-May-Kinofilme der 60er Jahre sagt man gern, die Hälfte des Erfolgs habe die Musik ausgemacht. Und so wird zum Start in die Jubiläumsspielzeit deren Schöpfer geehrt: Die Karl-May-Spiele ernennen Komponist Martin Böttcher zum „Ehrenhäuptling“. Der 84-Jährige erhält Urkunde und Federhaube sowie den Namen „Großer Vater der Melodien“. Wenige Minuten später reitet dann Winnetou erstmals wieder ein - natürlich zur vertrauten Melodie.