Älteste Schildkröte der Welt entdeckt

Stuttgart/Washington (dpa) - Paläontologen haben bei Schwäbisch Hall das Fossil der ältesten Schildkröte der Welt gefunden.

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Diese 240 Millionen Jahre alte Ur-Schildkröte sei in der Abstammungsgeschichte ein bislang fehlendes Bindeglied zu den Echsen, berichtete Rainer Schoch vom Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart. Ihre anatomische Konstruktion ermögliche es, Schildkröten in die nähere Verwandtschaft der Echsen, Krokodile und Vögel zu stellen. Sie widerlegt die Hypothese, dass Schildkröten von sehr urtümlichen Sauriern abstammen.

Schoch und sein Kollege Hans-Dieter Sues vom National Museum of Natural History in Washington präsentieren ihre Erkenntnisse im Fachjournal „Nature“. Die Ur-Schildkröte erhielt den Namen Pappochelys (Opaschildkröte). Die Wissenschaftler sehen in ihr einen sogenannten Missing Link, sie schließe eine weltweite Fundlücke. „Sowas ist wie ein Sechser im Lotto“, sagte Schoch. Der 45-jährige zweifache Familienvater gräbt seit 13 Jahren in Vellberg bei Schwäbisch Hall nach fossilen Skelettresten.

Der Ursprung der Schildkröten sei wegen fehlender Fossilfunde in der Wissenschaft kontrovers diskutiert worden, sagte Schoch. Bisher galt demnach die 220 Millionen Jahre alte Ur-Schildkröte Odontochelys aus China als ältester Nachweis der panzertragenden Reptilien. Bei ihr sei der Bauchpanzer bereits vollständig verknöchert, während der Rückenpanzer nur aus verbreiterten Rippen bestehe. Bei der Vellberger Ur-Schildkröte sind die Bauchrippen noch nicht zu einem Panzer verschmolzen. Die Kiefer tragen Zähne und der Schädel weist zwei große Öffnungen in der Schläfe auf.

Schochs 20 Zentimeter lange, echsenartige Pappochelys löse zwei Rätsel in der Entwicklungsgeschichte auf einmal: Sie kläre, wie der Bauchpanzer entstand und wie der Schädel der Schildkröten ursprünglich ausgesehen hat. Der Paläontologe sprach von „großer wissenschaftlicher und evolutionsbiologischer Bedeutung“. Die Opaschildkröte lebte in und um einen kleinen Süßwassersee. Vermutlich habe sie sich - ähnlich wie heutige Galápagosechsen - gern im Wasser aufgehalten. Ihre schwer gebauten Rippen und Bauchrippen deuten darauf hin, dass sie tiefer tauchen und vielleicht länger im Wasser bleiben konnte als gewöhnliche Echsen.

Nach Angaben der Paläontologischen Gesellschaft in Frankfurt/Main hängt es immer von der Organismengruppe ab, wie wichtig so ein neuer Fund wirklich ist. „Ein weiterer Fund kann schon alles wieder über den Haufen werfen“, sagte der Evolutionsbiologe Michael Gudo am Mittwoch. Insofern sei das Konzept des Missing Link problematisch. Jeder neue Fund müsse in Abstammungslinien eingeordnet werden - dabei könne es durchaus vorkommen, dass bislang nur vermutete Abstammungen dann durch Fossilfunde gestützt werden.

Nach einer früheren genetischen Untersuchung haben sich Schildkröten vor gut 250 Millionen Jahren von der Linie der Krokodile und Vögel abgespalten. Etwa zu der Zeit gab es ein großes Massensterben auf der Erde, woraufhin viele neue Tierarten entstanden sind. Auch die Genaktivität während der Embryoentwicklung von Schildkröten ähnele zum Teil derjenigen von Küken, ergab die Studie von über 30 Forschern aus China, Japan, Großbritannien, Dänemark und Saudi Arabien („Nature“, 2013).