Australopithecus sediba: Mischung aus Mensch und Affe
Washington (dpa) — Halb Affe, halb Mensch — so beschreiben Forscher die etwa zwei Millionen Jahren alten Überreste des Vormenschen Australopithecus sediba. Sie wurden vor wenigen Jahren in Südafrika entdeckt.
Arme und Schulterblatt seien wie bei einem Affen für das Klettern und Hangeln in Bäumen gemacht. Becken, Hände und Zähne hingegen erinnerten eher an menschliche Verwandte, berichtet das Team internationaler Wissenschaftler in sechs Studien, die zunächst online vom Fachmagazin „Science“ veröffentlicht wurden. Vermutlich war „Au. sediba“, so die Kurzform, ein direkter Vorfahr der Gattung Homo, aus der schließlich auch der moderne Mensch hervorging.
Die Fossilien wurden im August 2008 im südafrikanischen Malapa, nahe Johannesburg, entdeckt. Es handelt sich dabei um Überreste von drei Individuen, die seitdem unzählige Male von Forschern unter die Lupe genommen wurden. In den jetzt vorgestellten Studien hatten die Wissenschaftler die Knochen noch einmal von Kopf bis Fuß inspiziert.
Ein gutes Beispiel für die Mischform des Körperbaus ist der Brustkorb, den Forscher um Peter Schmid untersuchten. Schmid war bis zu seiner Pensionierung an der Universität Zürich tätig. Der obere Brustkorb von „Au. sediba“ war demnach sehr eng, wie es auch bei Orang-Utans, Schimpansen oder Gorillas der Fall ist. Die Schultergelenke waren wie bei einem dauerhaften Schulterzucken hochgestellt.
Der untere Brustkorb hingegen ähnele eher dem des Menschen. Die konische Form des Brustkorbs habe das Hangeln und Klettern in den Bäumen ermöglicht. Schwierigkeiten hatten die Vormenschen hingegen vermutlich beim aufrechten Gang: „Längere Strecken konnten sie wohl nicht rennen, zumal ihnen das energiesparende Armschwingen fehlte“, erläutert Schmid.
Ohnehin war der Gang von „Au. sediba“ den Untersuchungen zufolge ziemlich einzigartig: Die Homo-Vorfahren besaßen sehr kleine Fersen, ähnlich denen von Schimpansen, berichten Wissenschaftler um Jeremy DeSilva von der Boston University (Boston/US-Staat Massachusetts). Die Füße kippten vermutlich beim Gehen seitwärts stark ein. Dies unterscheide „Au. sediba“ von anderen Australopithecinen und lasse vermuten, dass es mehrere Arten gab, auf zwei Beinen zu gehen.
Auch die Untersuchung von Unterkiefer und Zähnen sowie der Wirbelsäule zeigten eine Mischung von primitiven und moderneren Merkmalen. Eine Ausnahmen bilden die Arme, die — abgesehen von den Händen — überwiegend primitive Züge aufweisen und gut für das Klettern geeignet waren. Die Benutzung der Vorderarme zum Greifen und Manipulieren von Gegenständen sei scheinbar später entstanden, vermutlich mit der Entwicklung des Homo erectus, schreiben Forscher um Steven Churchill von der Duke University in Durham (US Staat North Carolina).
Noch ist unklar, welche Position in der Entwicklung der Hominiden „Au. sediba“ einnimmt. Es sei denkbar, dass er nicht von der ostafrikanischen Au. Afarensis-Linie abstammt — das ist die Gruppe, aus der auch die berühmte Lucy stammt. Möglicherweise bildet „Au. sediba“ gemeinsam mit Au. africanus eine südafrikanische Schwestergruppe, schreibt Studienleiter Lee Berger von der University of the Witwatersrand in Südafrika in einem einleitenden Essay (Science, Bd. 340, S. 163) zu den einzelnen Studien.