HIV-Selbsttest: Umstrittene Alternative

Montreal/Frankfurt/Main (dpa) - Wem ein HIV-Test in einer medizinischen Einrichtung nicht diskret genug ist, für den ist ein Selbsttest zu Hause eine gute Alternative. Das ist das Ergebnis der ersten systematischen Überprüfung von 21 Studien, die verschiedene HIV-Selbsttests in der Praxis untersucht haben.

Der Übersichtsartikel ist in der Online-Fachzeitschrift „PLOS Medicine“ erschienen.

Die Studienleiterin Nitika Pant Pai von der McGill University im kanadischen Montreal ist überzeugt: HIV-Selbsttests können dabei helfen, dass man nicht mehr diskriminiert wird, wenn man sich testen lässt. So könnten mehr Menschen ihren HIV-Status erfahren, was die Verbreitung der Immunschwäche-Viren einschränke.

Von den analysierten Studien hatten sich 14 mit insgesamt 4890 Versuchsteilnehmern HIV-Selbsttests gewidmet, die von Gesundheitsexperten betreut wurden. Sieben weitere Studien mit insgesamt 7512 Menschen bezogen sich auf HIV-Heimtests, bei denen es keine Supervision gab, aber via Telefon oder Internet ein Berater kontaktiert werden konnte.

Die HIV-Tests seien sehr gut akzeptiert worden: Von den Menschen, die angaben, dass sie sich selbst testen möchten, haben es in den Studien dann auch 74 bis 96 Prozent getan. Mindestens 80 Prozent der Versuchsteilnehmer befürworteten auch für ihren Partner einen HIV-Heimtest. Die Versuchsteilnehmer bevorzugten jene Tests, bei denen man nur etwas Speichel braucht. Bei anderen Tests muss man eine Fingerkuppe anstechen und so einen Tropfen Blut gewinnen. Bei beiden Varianten erfährt man nach wenigen Minuten ein Testergebnis.

Die Selbsttests seien recht präzise, schreiben die HIV-Forscher weiter. Von den Menschen, die nicht mit dem Immunschwäche-Virus infiziert waren, bekam höchstens jeder 500. fälschlicherweise ein positives Testergebnis. Indes: Bei den tatsächlich HIV-Infizierten seien die Selbsttests weniger treffsicher gewesen, vor allem jene ohne Supervision. Außerdem blieb meistens unklar, wie gut bei den Heimtests ohne Betreuung Experten-Hotlines genutzt wurden. Deswegen appellieren die Forscher, noch mehr Daten zu erheben.

„Ein solcher Appell steht häufig am Ende einer Fachpublikation, doch ist er in diesem Kontext wirklich angebracht und sinnvoll, weil die Datenmenge und die Qualität der Studien limitiert waren“, sagte Holger Rabenau vom Nationalen Referenzzentrum für Retroviren in Frankfurt, das sich unter anderem mit HIV-Diagnostik beschäftigt. So heißt es in der Übersichtsstudie zwar, dass kein Selbstmord nach einem Selbsttest dokumentiert worden sei. „Aber vielleicht gibt es solche Fälle ja doch — nur bekommt man davon nichts mit, weil niemand weiß, dass da jemand vor seinem Suizid solch einen Test gemacht hat.“

Skeptisch ist Rabenau, ob Selbsttests tatsächlich bewirken, dass mehr Menschen ihren HIV-Status erfahren. Schätzungen zufolge weiß etwa jeder Zweite weltweit nicht, ob er oder sie HIV hat — mitunter, weil die Menschen Angst vor dem Ergebnis und möglichen Konsequenzen haben oder weil sie es gar nicht wissen wollen, berichtete Rabenau. Der Experte warnt zudem davor, HIV-Tests übers Internet zu bestellen oder in einer ausländischen Apotheke zu kaufen. „Bei solchen Tests ist die Qualität und damit die Sicherheit möglicherweise nicht so zuverlässig.“

„In Deutschland sind HIV-Selbsttests auch nicht sinnvoll“, sagte Rabenau weiter. „Wir haben ein gut ausgebautes Gesundheitssystem, wo man sich für wenig Geld oder sogar kostenlos und gegebenenfalls auch anonym testen lassen kann, zum Beispiel bei den Gesundheitsämtern.“