Wissenschaft Der Mensch Martin Luther - Biografin Roper erhält Gerda Henkel Preis

Was haben Leibesfülle und Darmträgheit mit dem Werk des Reformators Martin Luther zu tun? Die Oxford-Historikerin Lyndal Roper suchte jahrelang in Archiven nach dem „Mensch Martin Luther“. Mit ihrem neuen Buch erregte sie Aufsehen - und wurde dafür nun ausgezeichnet.

Die Historikerin und Luther-Forscherin Lyndal Roper erhält den mit 100.000 Euro dotierten Gerda Henkel Preis 2016.

Foto: Wolfram Kastl

Düsseldorf (dpa) - Martin Luther dachte mit dem Körper, machte dreckige und sexistische Witze, wurde immer dicker und litt an Verstopfung und Ohrensausen. Die Oxford-Professorin Lyndal Roper hat in ihrem viel beachteten Buch „Der Mensch Martin Luther“ ein körpernahes und widersprüchliches Bild des großen Reformators gezeichnet. Für ihre langjährigen Forschungen zu Luther (1483-1546) und dem Reformationszeitalter erhielt die australisch-britische Historikerin am Montagabend in Düsseldorf den den mit 100 000 Euro dotierten Gerda Henkel Preis 2016. Ropers Studien bestimmen nach Ansicht der Jury im Lutherjahr den Verlauf der Debatte über den Reformator maßgeblich mit.

Roper hat anders als viele Historiker eine Körpergeschichte Luthers geschrieben und tauchte in seine Seelenlandschaft ein. Luther habe eine „enorme Ausstrahlung“ gehabt, sagte Roper der Deutschen Presse-Agentur. „Aber wenn man Streit mit ihm hatte, war die Feindschaft unerbittlich.“ Der Reformator konnte laut Roper „ein wunderbarer Tröster sein, aber Menschen auch richtig niedermachen“.

Dass Luthers 95 Thesen gegen den Ablasshandel der Kirche im Jahr 1517 eine so rasende Verbreitung fanden, ist laut Roper bis heute erstaunlich, da Luther kein bekannter Mönch gewesen sei. Luther sei auch nicht der einzige Kritiker der Kirche in seiner Zeit gewesen. Man finde ähnliche Meinungen bei vielen anderen, allerdings nicht in der Direktheit, mit der Luther die Kirche angriffen habe. Ein Art vormoderner „Wutbürger“ sei Luther aber trotzdem nicht gewesen. Für ihn sei die Macht immer „von oben nach unten“ gekommen.

Der Gerda Henkel Preis wird alle zwei Jahre für herausragende Leistungen im Bereich der historischen Geisteswissenschaften vergeben. Frühere Preisträger sind unter anderem der Ägyptologe Stephan Seidlmayer, der Historiker Jürgen Osterhammel und die Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer.