Diebische Nagetiere sichern Überleben von Palmen

Washington/Wageningen (dpa) - Kaum gewonnen die Nuss, schon wieder zerronnen: So wie „Scrat“ in den „Ice Age“-Filmen liefern sich Agutis eine wilde Jagd um Palmensamen. Für die Pflanzen sind die diebischen Nager allerdings sehr wichtig.

Eine Palmenart verdankt ihnen seit Jahrtausenden ihr Überleben.

Die Schwarze Palme in Zentralamerika habe nur überlebt, weil Agutis deren Samen aus dem Lager von Artgenossen stibitzen und an anderer Stelle wieder eingraben, berichten Forscher in der Fachzeitschrift „Proceedings“ der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS). Der systematische Diebstahl ermögliche die Verbreitung der Palmen in neuen Gebieten.

Anfangs würden die Samen der orangefarbenen Früchte nur in der Nähe verteilt, schreibt das Team um den Waldökologen Patrick Jansen von der Universität Wageningen (Niederlande). Nach einem Jahr jedoch sei ein Drittel der Samen mehr als 100 Meter vom Ursprungsort entfernt. Die Palmen hätten auf diese Weise neue Gegenden besiedeln und ihr Verbreitungsgebiet an veränderte Umweltbedingungen anpassen können.

Um die Spur der Samen zu verfolgen, betrieben die Forscher einigen Aufwand: 589 Samen der Schwarzen Palme (Astrocaryum standleyanum) wurden mit winzigen Funksendern präpariert und auf einer künstlichen Insel im Panama-Kanal ausgelegt. Auch wurden einige der 16 Agutis in dem Gebiet mit einem Funksender versehen. Agutis sind Nagetiere, die mit Meerschweinchen verwandt sind und in Mittel- und Südamerika vorkommen. Außerdem wurden Videokameras installiert. 409 der 589 Samen konnten verfolgt werden - die anderen wurden von den Agutis (Dasyprocta punctata) gefressen oder gingen verloren.

„Die Serien-Überwachung per Video offenbarte, dass die Samen etappenweise verbreitet werden. Die Agutis haben die vergrabenen Samen der anderen gestohlen und woanders vergraben“, schreiben die Forscher. Alle überwachten Tiere hätten gestohlen und seien auch selbst beklaut worden: Weniger als jedes sechste Lager sei vom wahren Besitzer leergeräumt worden.

„Ein Samen war sogar 36 Mal versteckt und mehr als 749 Meter weit getragen worden, bevor er schließlich 280 Meter vom Ausgangspunkt entfernt und 209 Tage nach Beginn des Experiments von einem Aguti gefressen wurde.“ Die Forscher schließen daraus: „Die Samenverbreitung der Nagetiere kann ein ausreichend effektiver Ersatz sein für die ursprüngliche Verbreitung großer Samen durch große Säugetiere.“

Bislang sei man davon ausgegangen, dass nur deutlich schwerere Tiere in der Lage waren, die Samen der Holzgewächse in den Tropen Süd- und Mittelamerikas effektiv weiträumig zu verteilen. Die Pflanzen haben fleischige Früchte mit einem Durchmesser von vier bis zehn Zentimetern und bis zu fünf sehr großen Samen darin.

Die großen Tiere hätten die Früchte im Ganzen geschluckt und die nicht verdauten Kerne an anderer Stelle wieder ausgeschieden. Solche Riesen habe es in der Gegend aber zuletzt vor mehr als 10 000 Jahren im Pleistozän gegeben, sie seien den heutigen Elefanten in Afrika ähnlich gewesen. Mit ihrem Aussterben hätte auch das Aus für die Palmen kommen können - wären die Agutis nicht so fleißige Diebe.