Feature: „Sie nennen ihr Labor ihr drittes Kind“

Stockholm (dpa) - Als die Welt die Namen der Nobelpreisträger erfährt, sitzt Edvard Moser ahnungslos im Flugzeug Richtung München. Im Flughafen erreicht ihn dann die Nachricht.

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„Ich habe mit ihm telefoniert, als er an der Gepäckausgabe stand“, erzählt Forscherkollege Tobias Bonhoeffer vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried. „Er wusste noch gar nichts. Die Lufthansa hat ihn mit einem Blumenstrauß abgeholt und er fragte mich "Tobias, what is this? I don't understand." ("Tobias, was soll das? Ich verstehe nicht.").“

Erst als Moser auf dem Handy den verpassten Anruf des Nobelpreis-Komitees sieht, dämmert es ihm. Er und seine Frau stehen vor der Krönung ihrer Karriere.

Ehepaar, Eltern zweier Kinder, renommierte Wissenschaftler und schon früh Direktoren eines Forschungsinstituts: May-Britt (51) und Edvard Moser (52) gelten als dynamisches Forscherpaar. Ihr Lebenslauf bestätigt das: Der Nobelpreis ist die höchste von zahlreichen Auszeichnungen, mit denen das Paar schon bisher überhäuft wurde.

Die Lebenswege der beiden norwegischen Hirnforscher verlaufen bereits seit der Geburt weitgehend parallel. Anfangs deutet nichts darauf hin, dass sie Wissenschaftsgeschichte schreiben werden. Beide stammen aus einer ländlichen Provinz rund 250 Kilometer nördlich der Stadt Bergen. Edvard Moser wird 1962 in Ålesund geboren, May-Britt Moser ein Jahr später in Fosnavåg auf der Insel Bergsøya.

Beide stammen aus nicht-akademischen Elternhäusern. „An den Orten, wo wir aufwuchsen, gab es niemand mit universitärer Ausbildung, niemand, den wir fragen konnten“, erzählte Edvard Moser einmal der „New York Times“.

Doch der Forschergeist zeigt sich früh: Als Kind will er Paläontologe werden und Dinosaurier ausgraben. Und sie sagte einmal: „Ich bin auf einem Bauernhof auf einer entlegenen norwegischen Insel aufgewachsen.“ Dort habe sie eine ausgeprägte Liebe zu Tieren entwickelt. „Ich interessierte mich aber auch dafür, wie tote Tiere von innen aussehen.“

Beide besuchen laut „New York Times“ sogar dieselbe weiterführende Schule, offenbar ohne Kontakt zueinander. Erst in den 1980er Jahren lernen sie sich an der Universität Oslo, wo beide unter anderem Mathematik und Psychologie studierten, kennen und lieben. Sie heiraten 1985 und werden noch im Studium Eltern zweier Töchter.

Fachlich konzentrieren sie sich auf die Schnittstelle zwischen Verhalten und Hirnphysiologie. „Die beiden sind sehr verschieden, ergänzen sich aber ideal in dem, wie sie arbeiten“, sagt Bonhoeffer. Und Tochter Isabel meinte: „Sie sind wahnsinnig engagiert. Sie nennen ihr Labor ihr drittes Kind.“

Nach der Promotion in Neurophysiologie 1995 forscht das Paar an der schottischen Universität Edinburgh und am University College London, dort bei ihrem Mentor John O'Keefe, dem jetzt ebenfalls der Medizin-Nobelpreis zuerkannt worden ist. 1996 ziehen sie nach Trondheim, wo sie das Centre for the Biology of Memory gründen. Daraus geht das von ihnen geleitete Kavli Institute for Systems Neuroscience hervor. Dort gelingt ihnen 2005 bei Ratten die bahnbrechende Entdeckung der Rasterzellen, die der räumlichen Orientierung dienen.

Edvard Moser denke „sehr genau und sehr viel über Sachen nach, wie man die besten Experimente macht und was die wichtigsten Fragen sind“, sagt Bonhoeffer. Er habe ein „Näschen für die interessanten Fragestellungen, gepaart mit intellektueller Brillanz“.

Bei ihren Auszeichnungen betonen die Mosers den Beitrag ihrer Mitarbeiter. Teamwork habe die Erfolge ermöglicht, erklärten sie, als sie vor einem Jahr den Preis der Hamburger Körber-Stiftung bekamen.

Trotz der vielen Aufgaben haben beide Hobbys und die Liebe zur Natur bewahrt. „Ich liebe das Meer“, sagt sie. „Wann immer ich Zeit habe, jogge ich am Strand des Fjordes, in dessen Nähe wir wohnen.“ Zudem mag sie Musik und Literatur. Ihr Mann liebt Vulkane und abgelegene Orte wie die Galápagosinseln oder den tropischen Regenwald.