Forschen mit Robben in Warnemünde

Rostock (dpa) - „Luca!“ Der Ruf von Tamara Heinrich nach Seehund Luca hallt über das Bassin im Robben-Forschungszentrum Rostock-Warnemünde. Aber Luca ist nicht gewillt, an diesem Sommertag gleich auf das Kommando der Biologin zu hören.

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Auch wenn ein Fisch als Belohnung wartet. Die Zuschauer auf dem Sonnendeck des ehemaligen Fahrgastschiffes müssen ein paar Minuten warten, bis sich Luca dann doch auf den Weg macht.

Luca gehört zur Gruppe von acht Seehunden und einem Seebär, die auf der seit 2008 bestehenden Forschungsanlage an der Ostmole der Hohen Düne lebt. „Es ist die weltweit größte Robbenhaltungsanlage“, sagt der Leiter des Zentrums und Zoologieprofessor an der Universität Rostock, Guido Dehnhardt.

Die ausschließlich männlichen Tiere leben in einem 30 mal 60 Meter großen Gehege, das von einem großen Netz umgeben ist. Auch unter dem Schiff, das über diverse Büros und Labore verfügt, sind noch vier Meter Wasser. „Sie können sich dort gut verkrümeln“, sagt Dehnhardt.

Nicht nur das: Wegen der Maschengröße von sechs Zentimetern gelangen auch Fische in das Gehege. „Dann ist hier Jagdfestival. Eine bessere Haltung gibt es nicht“, meint der Zoologe. Dafür sorgten auch die Liegeflächen, auf denen die Tiere zudem gut beobachtet werden können. „Sie sind dann richtig tiefenentspannt.“

Im Mittelpunkt der Grundlagenforschungen stehen die Sinne und die Orientierungsmechanismen der hoch intelligenten Seehunde. In aktuellen Arbeiten geht es darum, wie die Tiere hören und welches Empfinden für Zeit sie haben. Die menschliche Ohrmuschel trägt zu einem großen Teil zur Wahrnehmung von Schall und dessen Ortung bei. Seehunde hingegen hätten dies nicht, zudem verbreiteten sich Schallwellen im Wasser etwa fünfmal schneller als in der Luft. Noch sei vom artspezifischen Hören wenig bekannt, sagt Dehnhardt.

Schon weit mehr können die Biologen über die Barthaare der Tiere erzählen, die für die Orientierung besonders wichtig seien und deren Funktion in Rostock untersucht wird. Die stachelig abstehenden Haare seien im Gegensatz zu den runden Haaren bei Säugern extrem abgeflacht und abwechselnd eingeschnürt. Dies führe dazu, dass Robben feinste Wasserwirbel erkennen können. In Bruchteilen von Sekunden wissen sie, wie groß ein Beutetier ist, wo es ist oder wie schnell es schwimmt. „Wir arbeiten eng mit Ingenieuren zusammen“, erläutert Dehnhardt. Solche Systeme seien ideal für die Bionik, also Techniken, die sich der Mensch von der Natur abschaut.

Das Forschungszentrum hat sich zu einem beliebten Ziel für Touristen entwickelt. Vom Sonnendeck des 53 Meter langen Schiffs können die Besucher Forschern und Robben bei der Arbeit zusehen. Zudem wird Wissen über die Tiere und ihre Lebensweise vermittelt. „Die Kombination aus Wissenschaft und Unterhaltung kommt gut an und bildet einen Mehrwert für den Urlaubsaufenthalt an der Ostsee“, sagt Rostocks Tourismuschef Matthias Fromm.

Zur Arbeit mit den Seehunden gehören auch Ausflüge ins offene Meer. Dabei sei eine Methode gefunden worden, die Gästen und der Forschungskasse zugutekomme: Nach Voranmeldung können Besucher in einen Neoprenanzug schlüpfen und mit den Seehunden schwimmen. „Es ist schön zu beobachten, wie glücklich die Menschen dann sind“, sagt Dehnhardt.