„HitchBot“ - Ein Roboter trampt durch Kanada

Halifax (dpa) - Es dürfte der seltsamste Anhalter auf Kanadas Straßen sein: ein buntes Konstrukt aus Schwimmnudeln, Gummistiefeln, Handschuhen, einem Eimer und einer Kuchenhaube. „HitchBot“, Kunstprojekt und Roboter, soll in diesem Sommer per Anhalter einmal quer durch Kanada fahren.

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Rund 7000 Kilometer sind es von Halifax ganz im Osten bis Vancouver Island im Westen - und dabei kann „HitchBot“ noch nicht einmal eine Autotür öffnen. Er sei der erste trampende Roboter überhaupt, sagen die Erfinder über das skurrile Kerlchen.

Die Ende Juli gestartete Reise soll auch der Wissenschaft dienen. „Wir wollen Roboter in Situationen einbauen, in denen man sie sonst nicht erwarten würde und damit Diskussionen anregen“, sagt die deutsche Kommunikationsprofessorin Frauke Zeller von der Ryerson Universität in Toronto, die sich den „HitchBot“ gemeinsam mit ihrem Kollegen David Smith und einem großen interdisziplinären Team von Wissenschaftlern und Studenten ausgedacht hat. Zeller und Smith haben einmal einen Roboter als Kunstkritiker durch Museen geschickt - nun also einen als trampenden Mitfahrer durch ganz Kanada.

„Dieses Projekt soll Diskussionen über das Per-Anhalter-Fahren anregen und warum das fast niemand mehr macht“, erklärt Zeller. „Außerdem geht es natürlich um die Interaktion zwischen Mensch und Roboter.“ Unter anderem aus Schaumstoff-Schwimmnudeln, Gummistiefeln, Handschuhen, einem großen Eimer und einer Kuchenhaube bauten Zelle und ihr Team nach der Idee 2013 in den vergangenen Monaten den Roboter zusammen.

Das Gesicht besteht aus einem LED-Smiley. Betrieben wird der Roboter mit Solarzellen, kann aber auch per Kabel an eine Steckdose oder den Zigarettenanzünder im Auto angeschlossen werden. Wer ihn an der Straße findet, braucht ihn nur hochzuheben und ins Auto zu packen. Sein hinteres Stützbein lässt sich dafür hochklappen, sein Hintern besteht aus einem Kindersitz. Auf der Rückseite findet sich eine Betriebsanleitung.

Der „HitchBot“ spricht mit einer Stimme ähnlich der eines Navigationsgerätes, verfügt über eine Spracherkennung und eine Schnittstelle zu Wikipedia - und soll sich so fast wie ein normaler Anhalter mit seinen Mitfahrern unterhalten. „Aber man kann ihm auch mal sagen, dass er still sein soll, weil man die Landschaft genießen will.“ Ganz flüssig funktionierte die Unterhaltung allerdings nicht immer, gibt Erfinderin Zeller zu. „Das sind natürlich vorgefertigte Dialoge, das spielt dann manchmal ein bisschen verrückt. Auch wenn die Hintergrundgeräusche zu laut sind, klappt es nicht, oder wenn zu viele Menschen gleichzeitig auf ihn einreden.“

Der Anfang des Abenteuers war aufregend für die 39-jährige Roboter-Mama Zeller. „An dem Tag, an dem wir ihn ausgesetzt haben, war ich sehr nervös, ob das auch alles klappt und natürlich gab es auch sofort ein paar Technikprobleme.“ Gemeinsam mit ihrem Team setzte Zeller den kleinkindgroßen „HitchBot“ an der Autobahn nahe der Stadt Halifax aus. „Wir haben keine zwei Minuten gewartet und schon kam ein Pärchen vorbei und hat ihn mitgenommen. Die hatten von dem Projekt schon gelesen und waren so freundlich, dass ich mir überhaupt keine Sorgen mehr gemacht habe. Auch alle anderen Autofahrer, die vorbeigefahren sind, haben gehupt und gewunken, das war toll.“

Einige Tage später hat der „HitchBot“, der per GPS regelmäßig seinen Aufenthaltsort funkt, schon mehr als 500 Kilometer hinter sich, einige davon im Zickzack. „Aber das ist OK, weil wir wollen, dass er möglichst viele Fahrten macht, um möglichst viele Menschen zu treffen.“ Wer will, kann dem Roboter eine Geschichte erzählen, die der dann aufnimmt. Außerdem macht er hin und wieder automatisch Fotos. „Aber die Kamera ist ja sehr niedrig, manchmal sieht man dann nur so etwas wie die Rückseite vom Vordersitz. Letztens war es auch mal ein Abendbrottisch.“

Per Internet und Social Media dokumentiert das Forscherteam die Reise des Roboters, von der noch niemand weiß, wie lange sie dauern wird. Sorgen, dass dem „HitchBot“ etwas zustoßen könnte, macht sich Zeller inzwischen keine mehr. „Natürlich kann immer etwas passieren, zum Beispiel ein Unfall oder so. Aber so viele Menschen wissen inzwischen von dem Projekt und unterstützen es. Das Ganze hat sich für die Kanadier wirklich zu einer Art nationalem Stolz entwickelt und viele wollen mitmachen.“

Und die Autofahrer scheinen ihren Spaß mit dem trampenden Roboter zu haben. Drei Freunde aus Halifax, die den „HitchBot“ jüngst ein Stückchen mitnahmen, veröffentlichten zahlreiche gemeinsame Fotos beim Kurznachrichtendienst Twitter. Das letzte zeigt einen lächelnden Roboter inmitten der drei jungen Männer mit einer kanadischen Fahne und dem Kommentar: „Wir werden diesen Typ vermissen. Viel Glück weiterhin!“