Forscher lüften das Geheimnis der weißen Tiger
Peking/Cambridge (dpa) — In freier Natur kommen weiße Tiger nicht mehr vor. Sie werden vom Menschen gezüchtet, und zwar zumeist untereinander. Das führt zu gesundheitlichen Problemen. Die Farb-Mutation hingegen beeinträchtigt die Gesundheit der seltenen Tiere nicht, berichten Forscher.
Der Austausch eines einzigen Bausteins der DNA lässt das Fell von Tigern weiß werden. Die Mutation betreffe ausschließlich die Pigmentierung; die Tiere seien ansonsten gesund und überlebensfähig, schreiben Forscher aus China und Südkorea im Fachjournal „Current Biology“. Die Raubkatzen sollten nicht länger als Kuriosität ausschließlich untereinander gezüchtet, sondern als bewahrenswerter Teil der Natur behandelt werden.
Die weißen Tiger sind eine sehr seltene Variante des Bengal-Tigers (Panthera tigris tigris), auch Königstiger genannt. Sie haben ein weißes statt orangenes Fell. Allerdings sind weiße Tiger keine vollständigen Albinos, was sich auch daran zeigt, dass ihr Fell mit dunklen Streifen gezeichnet ist. Weiße Tiger haben blaue Augen, eine rosa Nase und rosa Ballen unter den Tatzen. Die genetische Veränderung, die zu dem weißen Fell führt, wird rezessiv vererbt: Sowohl Vater als auch Mutter müssen die Veränderung besitzen, damit sie beim Nachwuchs zum Tragen kommen kann.
Erste Berichte von weißen Tigern gehen auf das 16. Jahrhundert zurück. Das letzte freilebende Exemplar wurde 1958 erlegt. Heute leben die seltenen Tiere nur noch in Zoos oder in Shows, wie einst in der von Siegfried und Roy in Las Vegas. Die meisten, wenn nicht alle, der heute lebenden Tiere sind Nachkommen eines männlichen Tigers, der 1951 in Indien gefangen und zur Zucht eingesetzt wurde. Unter den Tieren kommt es häufig zu gesundheitlichen Problemen, wie Totgeburten, frühzeitigem Tod oder Missbildungen.
Dass diese Probleme eine Folge der anhaltenden Inzucht und nicht der Mutation sind, zeigten die Forscher um Xiao Xu vom College of Life Sciences in Peking nun in ihrer Untersuchung. Sie hatten mit drei Tigern — zwei weißen und einem orangenen — insgesamt 13 Jungtiere gezeugt und dann das Erbgut aller 16 Tiger untersucht. Dabei entdeckten sie die entscheidende Veränderung in einem SLC45A2 genannten Gen. In diesem Pigment-Gen ist ein einzelner Baustein gegen einen anderen ausgetauscht. Dadurch wird die Produktion bestimmter Farbpigmente beeinträchtigt. Andere Farbpigmente bleiben unberührt. Das erklärt auch, warum die weißen Tiger dunkle Streifen tragen.
An exakt gleicher Position im Erbgut hatten Forscher beim Menschen schon einmal eine Mutation entdeckt. Der Patient, ein Deutscher, hatte helle Haut und dunkle Haare. Auch von einigen Tieren kennt man Farbvarianten, die auf dieses Gen zurückgehen. Die Experten folgern aus ihrer Untersuchung — und der Tatsache, dass in freier Wildbahn früher gesunde, ausgewachsene Tiger gefangen wurden — dass die Mutation nur die Pigmentierung betrifft und keine negativen Folgen hat.
Obwohl die genetische Veränderung bei den Bengal-Tigern sehr selten sei, habe sie viele Jahrhunderte in freier Wildbahn bestanden, schreiben die Forscher. Sie sollte als Teil der genetischen Vielfalt angesehen werden, die es zu erhalten gelte. Die gesundheitlichen Probleme, unter denen die weißen Tigern heute litten, habe sehr wahrscheinlich der Mensch durch die anhaltende Inzucht provoziert.