Forscher suchen Super-Weizen in Mexiko
Mexiko-Stadt (dpa) - Die Zukunft des Weizens liegt im Norden von Mexiko. Auf Feldern nahe Ciudad Obregón im Bundesstaat Sonora züchten Wissenschaftler neue Arten des Getreides, die mehr Ertrag abwerfen oder resistent gegen Schädlinge sind.
Unter der brennenden Sonne erforschen sie, wie sich eine schwere Dürre oder Pilzbefall auf die Pflanzen auswirkt. In den Laboren von Texcoco nahe Mexiko-Stadt experimentieren ihre Kollegen mit Biotechnik.
Mit ihrer Arbeit wollen die Wissenschaftler einen Beitrag im Kampf gegen den Hunger leisten. Entwicklungs- und Schwellenländer konsumieren 60 Prozent des weltweit angebauten Weizens, allerdings sind sie häufig nicht in der Lage, ihren Bedarf aus eigener Produktion zu decken. So muss Afrika über die Hälfte des Weizens importieren und ist somit den Preisschwankungen auf dem internationalen Markt ausgesetzt.
Mit ertragreicheren Sorten will das Internationale Zentrum für die Veredelung von Mais und Weizen (Cimmyt) Abhilfe schaffen. „Hier in Mexiko verbessern wir die Sorten und verschicken dann das Saatgut an ungefähr 250 Organisationen weltweit“, sagt der deutsche Forscher und Leiter des Weizenprogramms von Cimmyt, Hans-Joachim Braun. Die Partner säen die neuen Arten auf kleinen Feldern in ihren Regionen aus. Erzielen sie gute Ergebnisse, werden die neuen Sorten für den Anbau im großen Stil freigegeben.
Das Bevölkerungswachstum und die Urbanisierung haben die Lebensgewohnheiten der Menschen und damit auch ihren Speiseplan verändert. Afrikanische Männer, die ihre Dörfer verlassen und in den Städten nach Arbeit suchen, verzichten beispielsweise häufig auf traditionelle Gerichte und essen mehr Brot und Nudeln. Auch arbeitende Frauen greifen öfter zu Weizenprodukten, die schnell zuzubereiten sind.
„Gegenwärtig wird genügend Weizen produziert, aber aufgrund des Bevölkerungswachstums und des Klimawandels wird die Weizenproduktion künftig wahrscheinlich nicht mehr ausreichen“, sagt Braun. „Die Nachfrage wächst stärker als die Produktivität.“
Auch der Weltklimarat hat in seinem jüngsten Report Ende März geschrieben, dass der Klimawandel mehr negative als positive Auswirkungen auf die Getreideproduktion haben wird. Bereits jetzt schon sei die Produktion von Weizen und Mais dadurch mit relativer Sicherheit beeinträchtigt. Die Erderwärmung könne auch die Preise instabil werden lassen.
Hohe Lebensmittelpreise können nach Einschätzung von Braun auch soziale und politische Folgen haben. So habe nicht zuletzt ein Anstieg der Nahrungsmittelpreise den Arabischen Frühling ausgelöst. „Das war sicherlich nicht der Hauptgrund, aber das war so ein Funke, der dazu beigetragen hat, dass die Leute plötzlich auf die Straße gingen“, sagt Braun.
Klimawandel, Wassermangel und schwindende Phosphatreserven zur Düngung erschweren den Getreideanbau immer mehr. Die Wissenschaftler auf den Feldern in Sonara und den Biotech-Laboren bei Mexiko-Stadt stehen deshalb vor einer enormen Herausforderung: Neue Sorten züchten, die mehr Ertrag bringen, Hitze und Dürre vertragen und resistent gegen Schädlinge sind.
Damit stehen die Forscher in der Tradition des Friedensnobelpreisträgers Norman Borlaug, der das Cimmyt einst mitgründete. Er rettete mit seinen leistungsstarken Neuzüchtungen in den 1960er und 1970er Jahren Millionen Menschen in den Entwicklungsländern vor dem Hungertod. In diesem Jahr wäre der Agrarwissenschaftler 100 Jahre alt geworden.
Derzeit nimmt weltweit kein anderes landwirtschaftliches Produkt eine größere Anbaufläche ein als Weizen. Mit ertragreicheren Sorten will Braun auch Platz für andere Feldfrüchte schaffen. „Die ganze Welt kann nicht nur Brot essen. Das ist klar“, sagt der Wissenschaftler. „Wir müssen auf kleineren Flächen mehr anbauen.“