Forscher-These: Ohne Omas gäbe es die Ehe nicht

Salt Lake City (dpa) - Oma ist die Beste - das galt wohl schon vor etlichen Jahrtausenden. Sie habe möglicherweise eine entscheidende Rolle dafür gespielt, dass der Mensch so ausdauernd in Paarbeziehungen lebe, berichten Forscher in den „Proceedings“ der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS).

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Weil Großmütter so wichtig waren und sich die Lebenserwartung des Menschen darum im Laufe der Zeit erhöhte, entfielen demnach immer mehr zeugungsfähige Männer auf die Frauen im fruchtbaren Alter. Eine feste Paarbindung verschaffte Männern in der Folge deutlich höhere Aussichten auf viele Nachkommen als wechselnde One-Night-Stands.

„Es sieht so aus, als ob der Großmutter-Einsatz für die Entstehung der Paarbindung ausschlaggebend war“, erklärt die US-Anthropologin Kristen Hawkes von der University of Utah in Salt Lake City. Sie hatte zusammen mit Statistikern und Mathematikern die Entwicklung einer Gemeinschaft mit und ohne den Einsatz von Großeltern simuliert. In langlebigeren Gemeinschaften konkurrierten demnach mit der Zeit immer mehr - auch im höheren Alter noch - zeugungsfähige Männer um die deutlich kleinere Zahl gebärfähiger Frauen.

Die Simulationen zeigten: Über 30 000 bis 300 000 Jahre hinweg stieg der Männerüberschuss durch den „Großmutter-Effekt“ von 77 auf 156 Männer pro 100 Frauen an. „Dieser männliche Überhang im Geschlechterverhältnis machte eine Partnerbindung für Männer zu einer besseren Strategie als die Suche nach zusätzlichen Partnerinnen - es gab einfach zu viele andere Typen als Konkurrenten“, so Hawkes.

Andere Anthropologen allerdings vertreten die sogenannte Jäger-These: Danach hat sich die Paarbindung vor allem dadurch entwickelt, dass jagende Männer die Frau und gemeinsame Nachkommen verlässlich versorgen konnten. Hawkes hält dagegen: „Der Schlüssel, warum Mamas schneller weitere Babys bekommen können, ist nicht Daddy, der den Schinken nach Hause bringt, sondern Oma, die beim Füttern der abgestillten Kinder hilft.“

Mit der neuen Analyse stützt Hawkes ihre bereits seit Jahren diskutierte Großmutter-Hypothese. Sie liefert eine Erklärung dafür, warum Frauen nach Ende ihrer fruchtbaren Zeit noch so lange leben - was aus biologischer Sicht zunächst keinen Sinn macht. Demnach war die Unterstützung der Großmütter bei der Versorgung kleiner Kinder immens wichtig und erhöhte deren Überlebenschancen massiv. In der Folge setzten sich während der Evolution die Gene von Familien durch, in denen die Omas besonders lange lebten.

Ihre These hatten Hawkes und ihre Kollegen nach Feldforschungen vor fast 20 Jahren beim Volk der Hazda im Norden Tansanias entwickelt. Bei den als Jäger und Sammler lebenden Hazda halfen die Omas tatkräftig mit, die bereits abgestillten Kleinkinder mit ausgegrabenen Wurzeln und Knollen zu ernähren. Die Kinder konnten noch nicht selbst nach Nahrung graben, ihre Mütter aber hatten oft schon einen neuen Säugling an der Brust.

In einer weiteren Studie 2012 verglich Hawkes dann in Hochrechnungen den Großmutter-Effekt der Hazdas mit den Lebensspannen großer Menschenaffen. Selbst wenn man Hirngröße oder Jagdverhalten herausrechnete, wurde der Effekt sichtbar: Stellen die Großmütter keine wichtige Hilfe dar, sterben die weiblichen Mitglieder der Gruppe meist schon wenige Jahre nach Ende ihrer Fortpflanzungsfähigkeit.

Die menschliche Lebensspanne hingegen habe sich im Verlauf von nur 24 000 bis 60 000 Jahren um 25 bis 49 Lebensjahre verlängert, so die Forscherin. Der Grund liegt für sie auf der Hand: „Länger lebende Großmütter helfen mehr.“ Ein Großvater-Effekt wurde bisher nicht ausfindig gemacht.