Homo Sapiens kam früher nach Europa als angenommen
Wien (dpa) - Der moderne Mensch kam deutlich früher nach Europa als bisher angenommen: Der aus Afrika eingewanderte Homo Sapiens existierte demnach bis zu 5000 Jahre lang gemeinsam mit dem Neandertaler in Europa, fand ein internationales Forscher-Team nun heraus.
Die Paläoanthropologen und Archäologen aus Wien, Tübingen, Frankfurt und Oxford bewerteten Funde aus einer prähistorischen Höhle in Süd-Italien neu. Die bisher dem Homo Neanderthalensis zugeordneten Fossilien stammen demnach bereits von Vertretern des Homo Sapiens.
Zwei Milchzähne, die 1964 in der Grotta del Cavallo in Apulien gefunden wurden, waren damals dem Neandertaler zugeordnet worden. Eine Zahn-Analyse ergab nun, dass sie dem anatomisch modernen Menschen zuzuordnen seien, schreiben die Wissenschaftler in der Zeitschrift „Nature“. Das Alter der Fundschicht wurde mit der Zeitspanne von vor 43 000 bis 45 000 Jahren angegeben und liegt demnach deutlich früher als bisher angenommen.
Demnach kam der moderne Mensch bereits vor bis zu 45 000 Jahren nach Europa. Bisher waren die Forscher davon ausgegangen, dass dies erst vor etwa 40 000 Jahren geschah, als der Neandertaler schon fast ausgestorben war. Der Kontakt zwischen den beiden Lebensformen sei womöglich intensiver gewesen, als bisher angenommen, erklärte Gerhard Weber, Leiter des Departments für Anthropologie der Universität Wien, der Deutschen Presse-Agentur: „Es gab genug Zeit für einen Austausch.“
Auch die Zuordnung von Kulturtechniken und Fähigkeiten müsse korrigiert werden, meint Weber: Die bisher den Neandertalern zugeschriebene Ullizien-Kultur, die durch komplexe Ornamente sowie die Produktion von Schmuck und Knochenwerkzeugen charakterisiert wird, stamme tatsächlich vom Homo Sapiens. „Das hat Konsequenzen, wenn man überlegt, warum die Neandertaler ausgestorben sind“, erklärte Weber.