Immunsystem wehrte sich womöglich gegen Neandertaler-Gene

Stanford/Leipzig (dpa) - Neandertaler-Männer sind womöglich schuld daran, dass es trotz einiger Liebeleien mit modernen Menschen nicht zu mehr Nachwuchs gereicht hat.

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Bestimmte Erbanlagen auf dem männlichen Geschlechtschromosom könnten eine erfolgreiche Fortpflanzung mit dem Homo sapiens verhindert haben, berichtet ein Forscherteam um Fernando Mendez von der Universität Stanford (USA) im Fachblatt „American Journal of Human Genetics“.

Das Immunsystem der Schwangeren unter den modernen Menschen hat sich demnach möglicherweise gegen männliche Föten mit diesen Neandertaler-Genen gewehrt - mit Fehlgeburten und weniger überlebensfähigen oder fruchtbaren Nachkommen als Folge.

Die gelegentliche Vermischung hat Spuren hinterlassen. Menschen mit Wurzeln außerhalb Afrikas tragen Untersuchungen zufolge noch immer zwischen etwa einem und vier Prozent Neandertaler-DNA in sich. Der Verwandte des heutigen Menschen starb vor rund 30 000 Jahren aus.

Während Frauen zwei X-Chromosomen in ihrem Erbgut haben, besitzen Männer jeweils ein X- und ein Y-Chromosom. In der Studie sei zum ersten Mal das Y-Geschlechtschromosom eines Neandertalers ausführlich analysiert worden - der Mann hatte vor rund 49 000 Jahren im heutigen Spanien gelebt. DNA des Neandertaler-Geschlechtschromosoms sei nie im modernen Menschen nachgewiesen worden, teilte die Uni Standford mit.

Grund seien möglicherweise die Unverträglichkeiten, sagte Ko-Autor Sergi Castellano vom Leipziger Max-Planck-Institut (MPI) für evolutionäre Anthropologie der Deutschen Presse-Agentur. „Wegen der genetischen Unvereinbarkeiten könnte die Fortpflanzung zwischen Neandertalern und frühen Menschen weniger erfolgreich gewesen sein als innerhalb der beiden Gruppen.“ Fehlgeburten und weniger überlebensfähige oder fruchtbare männliche Nachkommen von Neandertaler und Homo sapiens könnten die Folge gewesen sein. Mehr Forschung sei in diesem Bereich aber noch nötig, betonte Castellano.

Die letzten gemeinsamen Vorfahren lebten der Studie zufolge vor rund 590 000 Jahren. Das stehe im Einklang mit den bisherigen Werten zwischen 400 000 und 800 000 Jahren, sagte Castellano. Die Veränderungen im Y-Chromosom der Neandertaler seien wahrscheinlich in der langen Zeit entstanden, in denen die Gruppen getrennt waren. Als sie wieder aufeinandertrafen, zeugten sie mehrere Male fruchtbare Nachkommen. Castellano: „Jetzt müssen wir ins Labor, um den Einfluss der Mutationen auf die Fortpflanzung besser verstehen zu können.“

Eine kürzlich von MPI-Forschern im Fachjournal „Nature“ veröffentlichte Studie hatte ergeben: Nicht nur der Neandertaler hinterließ seine Gene im modernen Menschen, sondern der moderne Mensch hinterließ auch Spuren im Neandertaler. Im Genom eines Neandertalers aus dem Altai-Gebirge in Zentralasien entdeckten Forscher Erbgutstückchen von modernen Menschen. Anhand des Alters der untersuchten Knochen und der Beschaffenheit des Erbguts konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass Neandertaler und moderne Menschen schon vor etwa 100 000 Jahren gemeinsame Kinder hatten.