Nach milden Temperaturen Maikäfer fliegt - aber meist nicht in Massen
Berlin (dpa) - Der Mai ist noch nicht gekommen, die Maikäfer aber schon: In vielen Landesteilen graben sich die Käfer derzeit aus dem Boden und brummen durch die Luft.
Während Käferfreunde das Erscheinen der Krabbler mit Freude begrüßen, beobachten Forstwirte die Entwicklung mit Sorge. Denn die Käfer können unter Umständen schwere Schäden in Feld und Wald anrichten.
In Teilen Hessen etwa werden nach jahrelanger Pause dieses Jahr massenweise Maikäfer unterwegs sein. Bodenuntersuchungen hätten gezeigt, dass der Bestand der Käfer und ihrer Larven in den vergangenen Jahren nach einem zwischenzeitlichen Rückgang wieder gestiegen sei, sagte Petra Westphal, Sprecherin von HessenForst. Der hessische Waldbesitzerverband befürchtet hohe Schäden durch die Käfer, vor allem im hessischen Ried.
Die Bäume litten dort ohnehin unter Trockenheit, da von dort Grundwasser in Richtung des Ballungsraums Frankfurt abgeleitet werde, sagte der Geschäftsführende Direktor des Verbandes, Christian Raupach. Für die dort vorkommenden Waldmaikäfer sind das paradiesische Zustände. Ihre Larven - die Engerlinge - entwickeln sich im trockenen Boden besonders gut. Sie nagen die Wurzeln der Bäume an, die dem wenig entgegenzusetzen haben. „Etwa 10 000 Hektar Wald sind akut vom Absterben bedroht“, sagt Raupach.
In Deutschland kommen hauptsächlich zwei Maikäfer-Arten vor: der Feld- und der Waldmaikäfer. Sie sind allerdings nur für Fachleute zu unterscheiden. Die größte Zeit ihres Lebens verbringen beide als Engerlinge im Boden: Die Käferweibchen legen dort ihre Eier ab, aus denen nach einigen Wochen die Engerlinge schlüpfen. Diese häuten sich zweimal und verpuppen sich schließlich, um sich in den fertigen Käfer zu verwandeln. Während dieser Zeit nagen die Engerlinge an den Wurzeln der Bäume - oder im Fall der Feldmaikäfer von Gräsern. Die gesamte Entwicklung zieht sich über mehrere Jahre, bis die Käfer sich schließlich aus dem Boden graben. Auch die erwachsenen Exemplare können den Bäumen zusetzen, da sie sich von den Blättern ernähren.
Etwa alle drei bis fünf Jahre kommt es vor allem aufgrund der mehrjährigen Entwicklungszeit zu einem vermehrten Auftreten der Käfer, zu so genannten Maikäfer-Jahren. „Wie lange das dauert, hängt auch mit der Wetterlage zusammen und der Klimaentwicklung“, erläutert Werner Schulze, Insektenkundler beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). „Wir rechnen mittlerweile aufgrund der Klimaveränderungen mit einer eher dreijährigen Entwicklungsdauer.“ Gerade in Maikäfer-Jahren kann es dann zu einem regelrechten Kahlfraß an den Bäumen kommen.
Um die Entwicklung der Käfer im Auge zu behalten, zählen Fachleute mancherorts die Larven im Boden. Solche Zählungen haben zum Beispiel ergeben, dass in Teilen von Rheinland-Pfalz im nächsten Jahr mit einem Massenauftreten zu rechnen ist. Im Bienwald seien 44 Larven pro Quadratmeter Boden gezählt worden, teilte das Umweltministerium mit. Der Wurzelfraß habe bereits eine Fläche von 1400 Hektar Wald beschädigt.
Auch in Nordrhein-Westfalen steht nach den Ergebnissen der Larven-Zählungen 2019 ein Maikäfer-Jahr an. Vor allem am Niederrhein, wo sich der Nachwuchs in den sandigen Böden der Eichenwälder sehr gut entwickeln kann, werden die Maikäfer dann nach Schätzungen des Landesbetriebs Wald und Holz in Massen fliegen und krabbeln.
Für dieses Jahr wird in den meisten Bundesländern kein Massenauftreten erwartet, auch wenn die Käfer angesichts der sommerlichen Temperaturen der vergangenen Tage vielerorts bereits herumschwirrten. In Niedersachsen und Baden-Württemberg habe es schon zahlreiche Meldungen gegeben, berichteten die Nabu-Ortsverbände.
In Schleswig-Holstein ist von Maikäfern hingegen nicht viel zu sehen. „Generell ist es im Norden tendenziell zu kühl für eine Massenvermehrung von Maikäfern, wie sie im Süden zu beobachten ist. Maikäfer mögen es warm“, sagte der Sprecher des Umweltministeriums, Joschka Knuth. Ausgeprägte Feldmaikäfer-Massen-Jahre gebe es nicht. In Jahren mit warmen Frühjahren wie 2012 und 2013 sei die Art jedoch häufiger zu beobachten gewesen. „2017 war hingeben ein ausgeprägt schlechtes Maikäfer-Jahr“, sagte Knuth. Auch Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen erwarten derzeit keine Probleme.
Wobei - Probleme? Naturschützer freuen sich darüber, dass in den vergangenen Jahren wieder vermehrt Maikäfer herumfliegen. Vor allem in den 1950er und 1960er Jahren gab es nach Angaben des Julius Kühn-Instituts (Braunschweig) in Deutschland großflächige Maikäfer-Bekämpfungs-Kampagnen, etwa mit dem Insektizid DDT. Die bis dato regelmäßig und häufig anzutreffenden Maikäfer verschwanden. Zum Ende des vergangenen Jahrhunderts geborene Kinder kannten die kleinen Krabbler allenfalls noch aus den Streichen von Wilhelm Buschs Max und Moritz-Geschichten.
Der Nachwuchs von heute hat dieser Tage gute Chancen, einen echten Maikäfer zu Gesicht zu bekommen. Bis zum Juni zumindest. Dann ist der Spaß - oder der Schrecken - wieder vorbei. Die Käfer sterben und hinterlassen nur ihre Eier im Boden - bis zum nächsten Mal.