Panne im All: ISS-Versorgungstransporter abgestürzt
Moskau (dpa) - Die Pannenserie in der russischen Raumfahrt reißt sich ab. Nun ist das erste Mal seit mehr als 30 Jahren ein Versorgungs-Raumschiff abgestürzt. Sorgen macht sich nun auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das auf die Sojus-Technik setzt.
Kurz nach dem Start des Raumschiffs vom Typ Progress M 12-M seien Probleme mit der Zündung der dritten Stufe der Sojus-Trägerrakete aufgetreten, teilte die Raumfahrtbehörde Roskosmos nach Angaben der Agentur Interfax mit. Es sei niemand verletzt worden, auch Schäden am Boden habe es nicht gegeben.
Der Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln, Johann-Dietrich Wörner, in Köln äußerte sich tief besorgt über den ersten Fehlstart einer Sojus seit 1978. „Wir sind derzeit in Deutschland und Europa äußerst abhängig von der bisher zuverlässigen Sojus-Technik“, sagte Wörner der Nachrichtenagentur dpa bei einem Telefonat. „Das ist kein schöner Vorgang.“
Wörner sagte, dass es eine Zeit dauern werde, bis die Unglücksursache geklärt sei. Bis dahin dürfe auch kein Raumfahrer mehr mit der Sojus-Technik ins All gebracht werden. Am 20. Oktober sollten nach bisherigen Plänen die ersten funktionstüchtigen Satelliten für das Navigationssystem Galileo mit Sojus-Raketen vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana starten.
Bei dem Unglück am Mittwoch kam es nach ersten Angaben zu einer Störung der Motorenanlage, die sich wegen der Havarie abschaltete. Der Frachter sei im Osten Russlands in menschenleerer Gegend im Altai-Gebirge in Sibirien abgestürzt. An Bord waren auch 800 Kilogramm des hochgiftigen Treibstoffs Heptil für die ISS, wie die Agentur Itar-Tass meldete. Es wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt, um die Unglücksursache zu klären.
Der Transporter mit etwa 2,6 Tonnen Nachschub für die ISS-Besatzung war am Abend (Ortszeit) vom Weltraumbahnhof Baikonur zunächst pünktlich gestartet. „Es gab einen Notfall“, teilte Roskosmos kurz darauf mit. „Spezialisten untersuchen die Ursache“, hieß es. Künftige Starts würden verschoben. Die Raumfahrer an Bord seien aber weiter ausreichend etwa mit Sauerstoff und Wasser versorgt, sagte der Flugleiter für den russischen Teil der ISS, Wladimir Solowjow.
Bereits am vergangenen Donnerstag war es zu einer schweren Raumfahrtpanne gekommen. Dabei war kurz nach dem Start - ebenfalls von Baikonur in Kasachstan (Zentralasien) - der Kontakt zu einem mit europäischer Hilfe konstruierten millionenteuren Nachrichtensatelliten abgerissen.
Der Raumfrachter vom Typ Progress M 12-M sollte Lebensmittel, Treibstoff und persönliche Gegenstände sowie Fruchtfliegen für ein Weltraumexperiment zur ISS bringen. Die Progress schlug etwa 40 Kilometer von der nächsten Siedlung entfernt in der Taiga auf. Behörden forderten die Bewohner der Region auf, nichts von der Absturzstelle zu entfernen.
Russland musste zuletzt immer wieder über Pannen berichten. Zu einem besonders schweren Zwischenfall kam es im Dezember 2010, als eine Trägerrakete mit drei Satelliten, die für das russische Navigationssystem Glonass vorgesehen waren, nach dem Start in den Pazifik stürzte.
Die Führung in Moskau hatte im April Roskosmos-Chef Anatoli Perminow gefeuert und einen Militärfunktionär als Nachfolger ernannt. Neuer Leiter der russischen Raumfahrtbehörde wurde der 53 Jahre alte Vize-Verteidigungsminister Wladimir Popowkin. Popowkin solle die stolze Raumfahrtnation zu neuen Erfolgen führen, hieß es damals. Das größte Land der Erde will in den kommenden Jahren auch ein kosmisches Verteidigungssystem aufbauen.
Wenige Tage nach den Feiern zum 50. Jahrestag des ersten bemannten Weltraumflugs, den der Kosmonaut Juri Gagarin am 12. April 1961 absolviert hatte, hatte Perminow eine Niederlage Russlands beim Wettlauf im All gegen die USA eingeräumt. Die Ausgaben von 3,1 Milliarden Dollar (2 Mrd Euro) für die russische Raumfahrt seien sechs Mal niedriger als in den USA.