Klimawandel Scheinbare Unterbrechung bei der Erderwärmung erklärt
Zürich (dpa) - Die scheinbare Unterbrechung des Klimawandels in den Jahren 1998 bis 2012 ist nicht auf falsche Klimamodelle oder ein mangelhaftes Verständnis des Klimas zurückzuführen.
Dass die globale Erwärmung in dem Zeitraum nicht wie von Klimamodellen vorhergesagt gestiegen ist, sei vielmehr eine Folge davon, dass in den Modellen unterschiedliche Daten herangezogen oder unterschiedliche Zeiträume betrachtet wurden. Dies berichten Forscher um Iselin Medhaug von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (Schweiz) im Fachmagazin „Nature“.
In den 15 Jahren bis 2012 stiegen die Temperaturen an der Erdoberfläche je nach Messreihe gar nicht oder kaum an. Manche Politiker, aber auch Wissenschaftler deuteten dies als ein Versagen der Klimamodelle - das Ausmaß des Klimawandels sei überschätzt worden. Einige leugneten sogar, dass es einen Klimawandel überhaupt gebe oder zumindest, dass er vom Menschen verursacht worden sei. Dem steht allerdings der Trend der vergangenen drei Jahre entgegen: 2016 war das dritte Jahr in Folge, das den globalen Temperaturrekord seit Beginn der Aufzeichnungen 1880 gebrochen hat.
Dennoch wollten die Schweizer Forscher wissen, wie es zu der scheinbaren Pause im Klimawandel kam. Dazu sahen sie sich an, wie in Studien diese Unterbrechung definiert wurde. Eine Definition besagt zum Beispiel, dass die durchschnittliche weltweite Lufttemperatur an der Oberfläche gesunken, nicht oder nur sehr leicht gestiegen ist. Dies treffe zwar auf kürzere Zeitabschnitte zu, aber nicht auf längere, schreiben die Forscher.
In einem Nature-Kommentar beziffern James Risbey von der nationalen australischen Wissenschaftsorganisation CSIRO in Hobart (Tasmanien, Australien) und Stephan Lewandowsky von der University of Western Australia in Crawley den entscheidenden Zeitabschnitt auf 16 Jahre: In allen längeren betrachteten Perioden sei keine Unterbrechung erkennbar.
Auch die Aussage, dass die Vorhersagen der Klimamodelle und die gemessenen Temperaturen weit auseinanderliegen, können Medhaug und Kollegen entkräften. So würden bei der Aufbereitung der Messdaten die Lufttemperaturen und die Oberflächentemperaturen der Ozeane zusammengenommen, während die Modelle in der Regel nur die Lufttemperaturen berücksichtigten. Auch würden Klimafaktoren wie Feinstaub aus Vulkanausbrüchen oder die Sonnenaktivität meist nicht einkalkuliert. Ein weiteres Problem war bei älteren Modellen eine relativ geringe Abdeckung mancher Weltregionen durch Messreihen.
„Wenn die Effekte kurzzeitiger Temperaturschwankungen, wie der El Niño Southern Oscillation, vulkanischer Aerosole und Sonnenvariabilität herausgenommen werden, ist das von Menschen erzeugte Signal globaler Erwärmung nicht wesentlich zurückgegangen“, lautet das Fazit der Forscher. 1997/1998 war das Klimaphänomen „El Niño“ an der südamerikanischen Pazifikküste besonders ausgeprägt gewesen und hatte zu den weltweiten Temperaturrekorden 1998 beigetragen. Dass dem keine weiteren Rekorde folgten, sei vor allem mit den natürlichen Klimaschwankungen erklärbar.
Auch Risbey und Lewandowsky folgern in ihrem Kommentar: „Einige Daten, Tools und Methoden, die bei der Betrachtung eines längerfristigen Klimawandels gut genug waren, erwiesen sich als problematisch, als sie auf das Problem der kurzfristigen Trends angewendet wurden.“ Wie real der Klimawandel ist, zeigen Veröffentlichungen der Weltwetterorganisation (WMO) in Genf im März über Temperaturrekorde in der Arktis: Auf dem Höhepunkt des Winters und der eigentlichen Gefrierperiode habe es Tage mit Temperaturen fast am Schmelzpunkt gegeben.
Die globale Mitteltemperatur der Erdoberfläche, auf die sich viele Studien beziehen, sei kein geeigneter Parameter, um die Klimaerwärmung zu beurteilen, sagt auch Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Geomar). „Mehr als 90 Prozent der Wärme, die durch den Anstieg der Treibhausgase während der vergangenen 40 Jahre im System verblieben ist, sind von den Ozeanen aufgenommen worden. Betrachtet man den Wärmeinhalt des Weltozeans, dann gibt es die „Atempause“ so gut wie nicht.“ Und: „Ein Klimaforscher wundert sich nicht darüber, dass die Erderwärmung mal schneller und mal weniger schnell verläuft.“
Klimaforscher Stefan Rahmstorf weist darauf hin, dass die Debatte um die kurzfristigen Schwankungen nicht aus der Wissenschaft, sondern aus dem Kreis der „Klimaskeptiker“ kam, denen es darum gehe, öffentlich Zweifel an der Klimaerwärmung zu wecken. „Ich hoffe, aus dieser Episode lernen Wissenschaftler, Medien und Öffentlichkeit, von Interessengruppen lancierte Klimaskeptiker-Thesen künftig kritischer zu hinterfragen.“