Täglich strömen 200 000 Kubikmeter Gas aus dem Total-Leck
London (dpa) - Der Energiekonzern Total hat erstmals Schätzungen zum Ausmaß des Gaslecks auf seiner Förderplattform in der Nordsee veröffentlicht. Täglich strömen demnach rund 200 000 Kubikmeter Gas aus der undichten Stelle am Kopf einer Bohrung, etwa 25 Meter über der Wasseroberfläche.
„Es gab in den vergangenen Tagen keine wesentliche Änderungen“, sagte Total-Management-Direktor Philipe Guys am Freitag in Aberdeen. Das Unternehmen hatte am vergangenen Sonntag erstmals über das Leck berichtet, rund einen Monat, nachdem die Probleme an der Bohrung den Verantwortlichen auf der Plattform selbst bekanntgeworden waren. Bereits am 25. Februar seien dort Druckschwankungen gemessen worden, sagte Guys. Der Grund sei derzeit ungewiss. „Zurzeit gibt es keine Anzeichen für menschliches Versagen“, sagte er.
Die Arbeiter auf der Plattform hätten versucht, die Druckschwankungen mit dem Verpressen von Schlamm auszugleichen. Am 25. März schließlich sei der Schlamm wieder aus dem Kopf der Bohrung geschossen, gefolgt von Gas. „Wir haben einen plötzlichen Druckanstieg beobachtet“, sagte Guys.
Das Gas komme aus einem Reservoir in 4000 Meter Tiefe, das eigentlich gar nicht für die Förderung vorgesehen war. Das eigentliche Förderreservoir liegt 5500 Meter unter dem Meeresgrund.
Das Gesamtgewicht eines Teppichs aus Gaskondensat, das auf dem Meer in einer Ausdehnung von 22 Kilometern Länge und 4,5 Kilometern Breite schwimmt, gab die britische Regierung am Freitag mit 3,8 Tonnen an - etwa die Füllung eines Tanklastwagens. Gaskondensat entsteht, wenn in dem geförderten Erdgas aus der Tiefe noch weitere Kohlenwasserstoffe vorhanden sind, erklärte Jürgen Messner, Erdölgeologe an der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover.
Unter den Druck- und Temperaturverhältnissen an der Meeresoberfläche sind diese Substanzen (unter anderem der Kohlenwasserstoff Pentan und ähnliche Verbindungen) flüssig. Gaskondensate sind kein Abfallprodukt, sie werden aus vielen Lagerstätten gezielt gewonnen und weiterverarbeitet.
Guys kündigte an, dass weiter parallel zwei Optionen zum Stopfen des Lecks vorangetrieben werden: Neben einem sogenannten „Kill“ mit schwerem Schlamm von oben könnte es auch Entlastungsbohrungen geben. „Wir glauben, dass wir zwei Entlastungsbohrungen brauchen würden“, sagte Guys. Total habe bereits andere Bohrvorhaben in der Nordsee gestoppt, um im Zweifel genug Ausrüstung für die Entlastungsbohrungen zur Verfügung zu haben.
Die über der Plattform lodernde Gasflamme, mit der überschüssiges Gas in den Rohrleitungssystemen abgefackelt wird, sei inzwischen deutlich kleiner geworden. Die Flamme könnte zu einer gewaltigen Explosion führen, wenn sie mit dem Gas weiter unten in Berührung kommt. Total hofft, dass sie bald von selbst erlischt. Parallel werde nach Wegen gesucht, die Flamme zu ersticken. Dies könnte mit Hilfe von Löschflugzeugen oder Feuerwehrschiffen geschehen. Der Wind steht aber günstig, so dass die Gefahr derzeit als minimal eingestuft wird.
Ein Total-Sprecher sagte am Freitag in Aberdeen, dem Unternehmen gehe durch das Gasleck täglich etwa eine Million Pfund an Einnahmen aus der Gasförderung verloren. Hinzu kommen mögliche Reparatur- und Entschädigungskosten. Auch auf einer Nachbar-Plattform des Konkurrenten Shell ruht der Betrieb.
EU-Energiekommissar Günther Oettinger will bessere Sicherheitsvorkehrungen für Bohr- und Förderplattformen in der Nordsee. „Großbritannien und Norwegen haben schon sehr hohe Standards. Aber auch dort kann man noch bestimmte Dinge verbessern, einfach, weil man von den anderen Ländern und von solchen Unfällen lernt“, sagte Oettinger der Nachrichtenagentur dpa.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace sprach sich dafür aus, besonders sensible Regionen der Welt von der Öl- und Gasförderung generell auszusparen. Die Tendenz der Industrie gehe dahin, immer weiter nördlich bis in die Arktis hinein zu bohren, sagte Greenpeace-Sprecher Jörg Feddern. Dies bedeute, dass die Vorhaben auch immer gefährlicher würden.