Ungewissheit um Phobos-Grunt - US-Radar auch Schuld?

Moskau (dpa) - Ungewissheit trotz neuer Erfolge: Zwar hat die fehlgeleitete russische Marsmond-Sonde Phobos-Grunt erneut auf die Kontaktsuche von der Erde aus geantwortet - die Daten waren aber zunächst unleserlich.

„Die Angaben sind leider verzerrt und codiert“, teilte die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos am Donnerstag in Moskau mit. Für den Ausfall der 120 Millionen Euro teuren und 13,5 Tonnen schweren Apparatur sei möglicherweise eine US-Radarstation in Alaska mitverantwortlich, sagte der russische Raumfahrtexperte Nikolai Rodionow. „Die starke elektromagnetische Strahlung könnte die Schaltkreise der Sonde irritiert haben“, erklärte der Generalleutnant und frühere Kommandeur der Raketentruppen der Agentur Interfax.

Am Nachmittag gab Roskosmos bekannt, ihr sei erstmals selbst vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan aus ein Kontakt zu Phobos-Grunt gelungen. „Wir versuchen nun, die Daten zu entschlüsseln“, sagte ein Sprecher. „Bis jetzt läuft alles gut.“ Auch die ESA-Bodenstation im westaustralischen Perth werde weiter versuchen, Kontakt zu der seit gut zwei Wochen nutzlos in der Erdumlaufbahn treibenden russischen Raumsonde aufzunehmen. Das russische Verteidigungsministerium ging dennoch von einem baldigen Absturz von Phobos-Grunt aus. „Ein mögliches Datum können wir aber noch nicht nennen“, sagte Oberst Alexej Solotuchin. Der von US-Behörden genannte Termin 12. Dezember sei „spekulativ“.

Der russische Raumfahrtforscher Juri Karasch sagte, es gebe aus wissenschaftlicher Sicht keine realistische Chance mehr auf Rettung der Raumsonde. „Die Kontaktaufnahme kann nur einem Zweck dienen: Wir können damit Einfluss nehmen auf einen kontrollierten Absturz von Phobos-Grunt.“ Noch immer habe der Apparat hochgiftigen Treibstoff und radioaktives Kobalt an Bord. „Bevor dieses Material auf der Erde Schaden anrichtet, steuert man die Sonde besser in einen Ozean oder versucht, sie in der Atmosphäre verglühen zu lassen“, sagte Karasch. Im Unterschied zu Perth verfüge Baikonur vermutlich über ein Decodiergerät, um die empfangenen Nachrichten zu entschlüsseln.

Die USA wollen an diesem Samstag ihre neue Mars-Mission starten: Dann schickt die Raumfahrtbehörde Nasa eine hochmoderne Raumsonde auf den Weg. Curiosity soll im August 2012 auf dem Roten Planeten landen und nach Spuren von organischen Materialien suchen, den Grundzutaten für Leben - und etliche weitere Analysen vornehmen.

Nach zahlreichen misslungenen Versuchen war der ESA nach einem ersten Erfolg in der Nacht zuvor auch in der Nacht zum Donnerstag ein Kontakt zu Phobos-Grunt geglückt. „Die gewonnenen Daten müssen nun ausgewertet werden“, sagte René Pischel, der Leiter der russischen ESA-Vertretung in Moskau. Es sei weiter unklar, ob die Raumsonde doch noch zu retten sei. Möglicherweise seien bei der zweiten Verbindung erstmals wichtige telemetrische Informationen gewonnen worden, sagte Pischel der Nachrichtenagentur dpa.

Roskosmos zeigte sich zunächst enttäuscht. „Wir versuchen es weiter“, sagte ein Sprecher der Raumfahrtbehörde. Anhand der Daten erhoffen sich Experten Aufschluss über die Panne bei Russlands erster interplanetarer Forschungsmission seit 15 Jahren. Die Sonde sollte nach dem Start am 9. November (Ortszeit) zum Marsmond Phobos fliegen - ihre Triebwerke sprangen jedoch nicht an.