Weniger Totgeburten auch in Industrieländern möglich
London (dpa) - Etwa eins von 320 Babys kommt in den Industrienationen tot zur Welt. Das ist zwar deutlich weniger als in vielen ärmeren Regionen der Erde, doch noch immer zu viel, schreiben Experten im Medizinjournal „The Lancet“.
Mit geeigneten Maßnahmen sei eine Reduzierung der dramatischen Todesfälle möglich. Rauchen und Alkoholgenuss während der Schwangerschaft sowie Übergewicht der Mutter seien einige der Risikofaktoren, die durch Aufklärung der Mütter zu beeinflussen seien.
Das Fachmagazin widmet sich in einer Serie von Artikeln und Kommentaren dem Thema Totgeburt. Nach der Weltgesundheitsorganisation WHO werden als Totgeburten jene Babys gezählt, die in oder nach der 28 Schwangerschaftswoche tot zur Welt kommen.
Mehr als 2,6 Millionen Babys kommen jährlich weltweit tot zur Welt, mindestens 7000 am Tag. 98 Prozent der Totgeburten ereignen sich in den ärmeren Ländern, der größte Teil davon in Südasien und den Ländern südlich der Sahara. Aber Totgeburten sind nicht nur ein Problem der armen Welt, schreiben die Experten. Nach einem deutlichen Rückgang der Fälle seit den 1940er Jahren, gibt es in vielen Industrienationen derzeit keine Fortschritte mehr bei der Bekämpfung des Problems.
Dabei finden sich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern: Finnland und Singapur zum Beispiel hätten die geringste Rate an Totgeburten, nur 2 von 1000 Babys kommen dort tot zur Welt. Fast doppelt so viele Fälle (3,9 von 1000) gibt es in Frankreich, das damit unter den reicheren Ländern am schlechtesten abschneidet. In Deutschland kommen auf 1000 Neugeborene 2,4 Totgeburten.
In den reicheren Ländern verursachten hauptsächlich Probleme mit der Plazenta eine Totgeburt. Aber auch Nabelschnur-Probleme, Infektionen oder angeborene Fehlbildungen des Babys führten zu Totgeburten. Komplikationen bei der Geburt seien selten die Ursache.
Fest steht, dass einige Risikofaktoren beeinflussbar sind, etwa ein Übergewicht der Mutter. Alkoholgenuss während der Schwangerschaft erhöhe das Risiko genau wie das Rauchen um mindestens 40 Prozent. Bei einem Alter der Mutter von über 35 Jahren steigt ihr Risiko um 65 Prozent. Problematisch sei, dass in vielen Industrienationen immer häufiger gleich mehrere Risikofaktoren zusammenkommen, schreiben die Experten.
Aufklärungsprogramme sollten sich vor allem auch an Frauen aus benachteiligten Gruppen richten, denn unter denen sei die Zahl der Totgeburten häufig deutlich höher als bei nicht-benachteiligten Frauen des gleichen Landes, heißt es in dem Fachjournal. So sei die Zahl der tot geborenen Babys unter afroamerikanischen Frauen in den USA vergleichbar mit der aus Ländern mittleren Einkommens. Zudem sollte im Falle einer Totgeburt umfassend nach der Ursache geforscht werden. Nach der Einführung eines entsprechenden Audits sei zum Beispiel in Norwegen die Zahl der Totgeburten um 50 Prozent gesunken.
Totgeburten seien eines der letzten großen Tabus der Gesellschaft, schreibt Janet Scott von der Stillbirth and Neonatal Death Charity in London (Großbritannien) in einem Kommentar. Jährlich kämen mehr Kinder tot zur Welt als Menschen an HIV/Aids sterben.