Wladimir Kaminer: „Strenge Erziehung bringt nichts“

Interview: Wladimir Kaminer erzählt in seinem neuen Buch vom Schulalltag eines zweifachen Vaters.

Herr Kaminer, was waren Sie für ein Schüler?

Wladimir Kaminer: Ich war ein komplizierter Schüler. Mir hat es gefallen, neue Gedichte für bekannte Schriftsteller zu verfassen oder mir Nachrichten auszudenken von Ländern, die es gar nicht gibt. Das kam bei den Lehrern nicht so gut an. Ich war eben ein ziemlich phantasievolles Kind.

Wie unterscheidet sich das russische vom deutschen Schulsystem?

Kaminer: In Russland steht die Vermittlung von Wissen absolut im Vordergrund. Da will man all die wichtigen Dinge in die kleinen Köpfe reintun. In Deutschland ist die Schule eine soziale Einrichtung, die Kinder in einer komplizierten Gesellschaft überlebensfähig macht. Das ist der Weg, den ich für richtig halte. Meine Kinder konnten schon vor der Schule lesen, schreiben und rechnen, das haben sie bei uns zu Hause gelernt. Die soziale Kompetenz, mit der sie in der Schule konfrontiert werden, ist viel komplizierter, aber auch wichtiger. Wer fragt schon am Ende des Lebens nach irgendwelchen physikalischen Formeln?

Sind Sie ein strenger Vater?

Kaminer: Nein, ein sehr gutmütiger. Ich bin der Meinung, dass eine strenge Erziehung nichts bringt, die Kinder hören ja doch nicht auf das, was man ihnen sagt. Wichtiger ist es, ihnen ein Vorbild zu sein und ihnen die Dinge selbst vorzuleben.

Belohnen Sie Ihre Kinder bei guten Noten?

Kaminer: Wir haben ein Prämiensystem, das sehr gut funktioniert. Für gute Noten gibt es interessante Filme oder spannende Bücher. Mein Sohn Sebastian sammelt zum Beispiel Comics. Die bekommt er, wenn er in einem Fach, das ihm nicht so liegt, eine gute Leistung nach Hause bringt.

Wie haben Ihre Kinder darauf reagiert, dass Sie ein Buch über ihre Schulerlebnisse schreiben?

Kaminer: Das hat ihnen gefallen, sie haben sogar darauf bestanden, dass ich ihre richtigen Namen beibehalte. Später waren sie sehr kritisch bei den Geschichten und haben darauf geachtet, dass alles wirklich stimmt.

Beneiden Sie manchmal Ihre Kinder?

Kaminer: Nein, die Kindheit ist doch stinklangweilig, weil alles in so geregelten Bahnen wie in einem Schuhladen abläuft. Es sind immer wir Erwachsenen, die von der Kindheit schwärmen. Dabei wollen Kinder doch nur erwachsen werden. Ich fühle mich als Erwachsener zumindest deutlich entspannter.

Haben Sie als Vater ein Lieblingsfach?

Kaminer (lacht): Sport, da können wir problemlos gemeinsam Übungen machen. Ich bin kein Vater, der seine Kinder auf dem Sofa liegen lässt.

Im neuen Buch spielt Latein mit "Salve Papa" schon im Titel eine besondere Rolle. Was halten Sie von dieser Sprache?

Kaminer: Latein ist die Mutter aller Sprachen, aber irgendwie auch ziemlich nutzlos. Aber es macht ja Intellektuelle aus, dass sie sich für nutzloses Wissen interessieren.