Wotan Wilke Möhring: Im Herzen immer noch ein Punk

Wotan Wilke Möhring spricht darüber, wie er die Gesellschaft herausfordern will — und über seine „Tatort“-Rolle.

Köln. Es sind nervenaufreibende Tage für Wotan Wilke Möhring (45). Als bester Schauspieler wurde er mit dem Grimme-Preis für den TV-Film „Der letzte schöne Tag“ ausgezeichnet. Morgen läuft „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ mit ihm in der Hauptrolle im Kino an. Und am 28. April ist er erstmals als „Tatort“-Kommissar zu sehen: Thorsten Falke ist ein bodenständiger Ermittler, der sich „auch schon mal über die Vorschriften hinwegsetzt.“

Herr Möhring, in der vergangenen Zeit haben Sie viele sehr traurige Rollen gespielt. Haben Sie eine morbide Phase?

Wotan Wilke Möhring: Eine morbide Phase nicht. Bevor ich angefangen habe, über den neuen Film zu sprechen, habe ich den Zusammenhang zu „Der letzte schöne Tag“ gar nicht gesehen, denn da geht es um Suizid. Das heißt, das Leben vorher wird verraten, beziehungsweise in Frage gestellt, und du musst den Kindern erklären: Warum wollte die Mutti weg sein.

Was ist für Sie der entscheidende Unterschied?

Möhring: Die Klaviatur der Trauer ist bei „Der letzte schöne Tag“ anders, da ist ja alles drin von Wut, Ausbruch am Grab, das Rausschreien — das ist viel stärker als die Erstarrung von Markus Färber über den Unfalltod seiner Frau. Erst als seine Tochter Kim wegläuft und ihm alles zu entgleiten droht, da muss Markus endgültig etwas tun. Das war für mich das Entscheidende bei der Figur: Wie weit muss man gehen, bis man aktiv wird, bis wir wissen — wir leben ja noch. Denn durch die Trauer realisieren wir ja auch, was wir an denen haben, die noch da sind. Und wichtig ist mir auch, dass „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ ein Film mit viel Humor ist, es geht weniger um den Tod an sich, sondern um die Frage, wie man nach dem Tod eines geliebten Menschen weiterlebt.

Sind planbare Drehzeiten ein Grund, sich mit dem „Tatort“ erstmals für eine TV-Reihe zu entscheiden?

Möhring: Eigentlich nicht. Seitdem ich drehe, habe ich immer gut zu tun gehabt. Ein „Tatort“-Kommissar ist ja keine Altersversorgung. Es ist ein neuer Schritt. Zugegebenermaßen braucht man einen gewissen Reifegrad, um einem Ermittler ein Profil geben zu können. Aber die wahren Herausforderungen waren für mich andere: Eine Geschichte erstmals nicht zu Ende zu erzählen, sondern nur anzuerzählen, weil sie mit dem nächsten Fall weitergeht. Das habe ich noch nie gemacht.

Und jetzt?

Möhring: Nur wir drei vom Ermittlerteam bleiben, alle anderen kommen und gehen. Das ist etwas völlig Neues für mich. Ich fange jetzt wieder an zu drehen — den zweiten Fall — mit neuem Regisseur, neuem Kameramann, das finde ich bizarr. Das Spannende ist, dass wir durch den jeweiligen Fall immer wieder etwas Neues über den Ermittler Thorsten Falke erfahren, dass wir nicht so ein aufgesetztes Privatgedöns haben.

Sie haben eine Elektrikerlehre gemacht, waren Bundeswehrsoldat, Modell für Vivienne Westwood und Punk. Wo haben Sie den gelassen?

Möhring: Der ist immer noch in meinem Herzen. Das war ja wie alles bei mir keine äußerliche Sache, sondern es war mir ein Anliegen, Dinge und diese Gesellschaft zu hinterfragen.

Und wie fordern Sie die Gesellschaft heute heraus?

Möhring: Indem ich drei Kinder in die Welt setze! Ich muss mich doch fragen, ob es reicht, wenn ich den Müll trenne, oder ob ich auch Ansagen mache. Ich habe nach wie vor meine Probleme mit dem System als solches, wenn es so konstruiert und präsentiert wird, als wäre es nicht veränderbar. Wir haben alle zwei bis vier Jahre Wahlen — wer soll denn da für durchgreifende Reformen kämpfen. Aber die Leute zu Zeiten von Kaiser Wilhelm haben auch geglaubt, dass sich nie was ändert. Deshalb bin ich gespannt, was bei uns mal passiert.