Zu spät, zu dreckig, unsicher: VRR kündigt Bahnvertrag
Die Wachpatrouillen in den späten S-Bahn-Zügen haben nach Ansicht des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr kaum stattgefunden. Daher wurde der Vertrag mit der Deutschen Bahn gekündigt.
Gelsenkirchen. Leere Bierdosen, Gegröle und laute Musik in schmutziger Umgebung sind noch die harmloseren Belästigungen, denen sich S-Bahn-Fahrgäste in späten Zügen häufig ausgesetzt sehen.
Nicht selten kommt es auch zu Pöbeleien bis hin zu handfesten Bedrohungen. Viele S-Bahnfahrgäste fühlen sich in den Bahnen nicht sicher.
Ein Sicherheitsdienst der Bahn, der besonders häufig in den Zügen ab 19 Uhr patrouilliert, sollte den Fahrgästen Sicherheit vermitteln. Das hatte der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) mit der Bahn vertraglich vereinbart.
Doch jetzt kam eine mehrmonatige Stichprobenuntersuchung des Verbundes zu einem schockierenden Ergebnis: Statt wie vereinbart in 90 Prozent der Züge zu kontrollieren, gab es lediglich eine Quote von 17 Prozent - mit sinkender Tendenz.
"Bezahlt haben wir aber für die vollen 90 Prozent", empört sich VRR-Vorstand Martin Husmann. "Das eine grobe Vertragsverletzung und Täuschung seitens der Bahn zu Lasten der Sicherheit unserer Fahrgäste. Da mussten wir die Reißleine ziehen."
Der Verbund beschloss deshalb am Donnerstag eine außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung.
VRR-Vorstand Husmann weiter: "Diese Verfehlungen reihen sich nahtlos in die Kette von Schlechtleistungen von Unpünktlichkeiten, Zustand der Fahrzeuge und das Erscheinungsbild der Bahnhöfe ein."
Der VRR lasse sich "durch den Renditedruck der DB AG im Vorfeld des Börsengangs nicht verschaukeln. Jetzt haben wir einen handfesten Beweis, dass die DB Regio NRW zu Lasten der Kunden spart."
Der VRR will die Linien, die die Bahn im Auftrag des VRR betreibt, jetzt neu ausschreiben. Für die Fahrgäste an Rhein und Ruhr ändere sich aber zunächst nichts, betonte Husmann.
Die Bahn sei nach dem Gesetz verpflichtet, den Verkehr aufrechtzuerhalten.
Für die DB Regio NRW steht damit ein Vertragsvolumen von rund 400 Millionen Euro in Frage. Ein Bahnsprecher wies die Vorwürfe des VRR zurück.
Die vereinbarten Sicherheitsleistungen seien von der Bahn erbracht und durch entsprechende Nachweise dokumentiert worden.
Der VRR streitet mit der Bahn bereits seit 2007. Bislang ging es vor allem um die Höhe der Bezahlung von Verkehrsleistungen. Der Verkehrsverbund geht davon aus, dass er zu viel an die Bahn zahlt und hat die jährlichen Zahlungen um 54 Millionen Euro gekürzt.
Außerdem behält der VRR monatlich eine Million Euro ein, weil die Bahn unter anderem die Pünktlichkeitsverträge nicht einhalte. Der Streit soll vor Gericht geklärt werden.
Im Landtag begrüßten SPD und Grüne das Vorgehen des VRR. "Es kann nicht so weiter gehen, dass die Bahn im Regionalverkehr NRW die bundesweit höchsten Gewinne einfährt, aber die Fahrgäste im Nahverkehr wie Kunden dritter Klasse behandelt", erklärte der Grünen-Abgeordnete Horst Becker.