Zu viel Impfstoff: Wer muss zahlen?
Den Bundesländern drohen Kosten in dreistelliger Millionenhöhe.
Berlin. Noch im Spätherbst schien der Schweinegrippe-Impfstoff Pandemrix an allen Ecken und Enden zu fehlen, nun gibt es den Immun-Macher im Überfluss.
Den Bundesländern drohen dreistellige Millionenkosten, weil sie alle nicht verimpften Dosen bezahlen müssen. Am Donnerstag wollen Vertreter der Länder mit dem Hersteller GlaxoSmithKline verhandeln, um weniger Impfstoff abnehmen zu müssen.
Wie viele Impfdosen wurden inzwischen ausgeliefert? Die Hersteller haben inzwischen 18 Millionen der bundesweit 50 Millionen bestellten Dosen ausgeliefert.
Warum gibt es zu viel Impfstoff? Aus zwei Gründen: Weniger Bürger als erwartet lassen sich impfen. Zudem hat die Ständige Impfkommission die Impfempfehlungen geändert. Ganz am Anfang ging man davon aus, dass Kinder zwischen sechs Monaten und neun Jahren je zwei halbe und ältere Personen zwei ganze Dosen benötigen.
Für den Impfschutz von 30 Prozent der Bürger wären damit 50 Millionen Dosen nötig gewesen. Weil der Impfstoff gut angeschlagen hat, brauchen Kleinkinder nun nur eine halbe und alle Personen ab zehn Jahren eine ganze Ration. Rein rechnerisch könnte man mit dem Impfstoff nun etwa zwei Drittel der Bevölkerung impfen. Das Gesundheitsministerium in Thüringen geht von bundesweit 25 Millionen überzähligen Dosen aus.
Wer bezahlt die (überzähligen) Dosen? Die Krankenkassen bezahlen nur das, was auch verimpft wurde. Für die überzähligen Impfdosen müssen die Länder aufkommen. Eine Dosis kostet 8,33 Euro. Bei 25 Millionen überzähligen Portionen würden die Länder so auf knapp 210 Millionen Euro sitzen bleiben. Sie möchten daher überzählige Ampullen ins Ausland verkaufen.
Haben die Bundesländer schon Impfdosen verkauft? "Es gibt Staaten, die Impfstoff aus Deutschland haben wollen", sagte Niedersachsens Gesundheitsministerin, Mechthild Ross-Luttmann (CDU). Bislang sei aber noch nichts verkauft. "Die bisherigen Bemühungen des Bundes, in Deutschland nicht mehr notwendigen Impfstoff zu verkaufen, sind nicht ausreichend", sagte Ross-Luttmann weiter.
Wie groß sind die Chancen, dass die Länder nun weniger Impfstoff kaufen müssen, als sie bestellt haben? Die Länder können nur darauf hoffen, dass GlaxoSmithKline Kulanz beweist. Denn die Möglichkeit, Teile einfach zu stornieren, ist in dem entsprechenden Vertrag laut niedersächsischem Gesundheitsministerium nicht vorgesehen. GlaxoSmithKline hat aber Gesprächsbereitschaft signalisiert.
"Ob wir die Produktion umstellen, muss man sehen", sagte eine Sprecherin. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ist vor dem Hintergrund der geänderten Impfempfehlung für eine klare Reduzierung der Abnahmemenge: "Da sich inzwischen herausgestellt hat, dass eine Impfung ausreicht, muss sich aus unserer Sicht jetzt auch die Zahl der Bestellungen halbieren", sagte Laumann unserer Zeitung.
Wie viele Bürger sind geimpft? Nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) bundesweit mehr als sieben Millionen, also rund 8,5 Prozent der Bevölkerung. Wie hoch der Anteil unter den Risikogruppen ist, kann das PEI nicht sagen.
Mitte Dezember waren etwa 15 Prozent des Pflege- und Klinikpersonals geimpft. In NRW sind inzwischen rund 1,4 von 18Millionen Bürger geimpft. Ursprünglich hat NRW zehn Millionen Dosen bestellt und bislang 3,5 Millionen erhalten.
Kann sich nun jeder impfen lassen? Ja. Der Impf-Stufenplan - erst die Risikogruppen, dann die übrigen Bürger - ist insofern hinfällig, da nun ausreichend Impfstoff vorhanden ist.
Ist es überhaupt noch nötig, sich impfen zu lassen? Ja, die Ständige Impfkommission rät weiterhin dazu. "Der Höhepunkt der ersten Welle bei der Schweinegrippe ist überschritten", sagte der Sprecher des Robert-Koch-Instituts, Günther Dettweiler.
Bei früheren Grippe-Pandemien habe es aber oft mehrere Wellen gegeben. "Diese können auch schlimmer ausfallen als die erste", sagte der RKI-Sprecher. "Ob es zu einer weiteren Welle kommt, können wir nicht vorhersagen."
Beteiligt sich der Bund an den Kosten für den Impfstoff? Bislang hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dies abgelehnt.