Zugunglück in Polen - „Wir haben nur noch gebetet“
Das schwerste Bahnunglück in Polen seit Jahren fordert mindestens 16 Opfer. Zwei Züge donnern im Süden des Landes frontal ineinander.
Krakau. Der Mann ist hin- und hergerissen zwischen Glück und Entsetzen. „Einen halben Meter vor mir endete der Bereich, in dem sich die Wagen ineinander verkeilt hatten und völlig zerquetscht waren. Aus dem Nachbarabteil haben sie Leichen herausgezogen“, berichtet der Augenzeuge. Er hat das Zug-Drama am Samstagabend nahe der südpolnischen Stadt Zawiercie überlebt. Mindestens 16 Menschen sterben. 60 weitere werden zum Teil lebensgefährlich verletzt.
„Es ist ein Schock, ein Schock“, stammelt ein Feuerwehrmann vor laufender Kamera. „Das Ausmaß der Zerstörung ist gigantisch.“ Mehrere hundert Rettungskräfte sind den ganzen Tag im Einsatz, um nach Leichen zu suchen. Mit Schneidbrennern arbeiten sie sich ins Innere der Züge vor, die sich wie eine Ziehharmonika zusammengefaltet haben. Eine 80 Tonnen schwere Lok ragt schräg in die Luft. Sie hat sich über einen von drei zerstörten Waggons geschoben. Hoffnung, in den Metalltrümmern noch Überlebende zu finden, gibt es nicht mehr.
„Warum nur“, fragt fassungslos eine Frau, die in einem der hinteren Abteile gesessen hat. Eine Antwort auf die Frage hat zunächst niemand. „Wir haben nicht einmal den Ansatz einer Hypothese, wie es zu der Tragödie kommen konnte“, sagt ein Behördensprecher. „Die Untersuchungen werden vermutlich Monate dauern.“
Bekannt ist bisher nur dies: An der Unglücksstelle 80 Kilometer nördlich von Krakau ist die Strecke wegen Renovierungsarbeiten nur eingleisig im Wechsel befahrbar. Am Samstagabend jedoch rasen die beiden Personenzüge aufeinander zu. Um 20.57 Uhr krachen sie fast ungebremst frontal zusammen.
„Unser Zug war mit Tempo 120 oder sogar 130 unterwegs. Plötzlich gab es eine kurze Notbremsung und sofort danach einen ungeheuren Schlag. Menschen und Gepäckstücke flogen durch das Abteil. Kurz war es still, bis die Panik und die Schreie einsetzten. Viele weinten. Dann haben wir nur noch gebetet“, berichtet ein Überlebender im Fernsehen und fügt hinzu: „Es waren viele junge Leute im Zug.“
Der polnische Präsident Bronislaw Komorowski kündigt Staatstrauer an. Zugleich nehmen Sonderermittler ihre Arbeit auf. Die Polizei spricht von 370 Passagieren in beiden Zügen. Unter den Opfern sind mehrere Ausländer, vor allem Ukrainer. Deutsche kommen nach unbestätigten Berichten nicht zu Schaden. Ministerpräsident Donald Tusk war noch in der Nacht an den Unglücksort geeilt. Sichtlich um Fassung ringend, verspricht er den Opfern und ihren Angehörigen Hilfe. „Das ist eine der schrecklichsten Eisenbahnkatastrophen in unserem Land seit Jahrzehnten“, sagt er.
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