Mindestens 16 Tote bei Zugunglück in Polen
Warschau (dpa) - Zerfetzte Waggons, 16 Tote und eine nächtliche Rettungsaktion. Zwei Personenzüge sind in Polen auf demselben Gleis aufeinander zugerast und frontal zusammengeprallt. Mindestens 16 Menschen starben bei dem Unfall am Samstagabend in den Trümmern.
Weitere 58 wurden nach Behördenangaben verletzt, viele davon schwer. Waggons entgleisten und verkeilten sich. „Es gab keine Notbremsung, es gab nur den Aufprall. Plötzlich wurde es finster und der Zug stoppte“, berichtete der Reisende Dariusz Wisniewski einem Fernsehsender.
In beiden Zügen - einer fuhr in Richtung Warschau, der andere in Richtung Krakau - saßen zusammen rund 350 Passagiere. Bis zum Sonntagabend seien neun Tote identifiziert worden. Unter ihnen sei eine US-Bürgerin, sagte der mit der Untersuchung der Unfalls beauftragte Staatsanwalt Tomasz Ozimek. Die Ursachensuche könnte nach offiziellen Angaben Monate dauern. Ob Bauarbeiten, die nach Angaben der Bahngesellschaft beendet waren, eine Rolle spielten, war zunächst unklar.
Drei Verletzte schwebten am Sonntagabend noch in Lebensgefahr. Das sagte Polens Innenminister Jacek Cichocki bei einer Pressekonferenz: „Wir haben aber große Hoffnungen, dass diese drei wieder gesund werden (...) “, zitierten polnische Medien den Politiker. Unter den Verletzten waren auch Reisende aus der Ukraine und ein Tscheche.
Das Unglück hatte sich gegen 21 Uhr in der Nähe der Stadt Zawiercie ereignet. „Die ersten drei Waggons waren wie eine Ziehharmonika ineinandergeschoben. Ich war am Anfang des vierten Waggons eingeklemmt, nur einen halben Meter hinter dem Bereich der größten Zerstörung. Als es mir endlich gelang, auf den Korridor zu gelangen, dankte ich Gott.“ So zitierte das Internetportal „wyborcza.pl“ einen Überlebenden. Dariusz Wisniewski berichtete dem Fernsehsender TVN 24: „Als wir ausstiegen, sahen wir, was passiert war. Wir sahen die Verletzten und die Toten. Ich konnte es gar nicht glauben.“
Die Bewohner eines nahe gelegenen Dorfes waren die Ersten am Unfallort und halfen, die Verletzen aus den entgleisten Waggons zu bergen. Später versorgten sie die Passagiere mit Decken und heißen Getränken. „Wir sahen viele Menschen, die im Zug gefangen waren“, sagte ein Helfer der PAP. „Wir versuchten, die Fensterscheiben einzuschlagen, damit sie es leichter hatten.“
An der Unglücksstelle arbeiteten die ganze Nacht etwa 450 Feuerwehrleute und 100 Polizisten. Mit Spürhunden suchten die Rettungskräfte in den Trümmern der Waggonwracks nach Überlebenden. Zur Versorgung der Verletzten wurden beheizte Zelte aufgebaut. Außer Krankenwagen waren auch Hubschrauber im Einsatz, um die Opfer wegzubringen. Der Zug Przemysl-Warschau führte sieben Waggons und war mit rund 250 Passagieren halb besetzt, sagte ein Sprecher der staatlichen Eisenbahn PKP. In den vier Wagen des Zuges Warschau-Krakau saßen etwa 120 bis 150 Fahrgäste. An der Unfallstelle galt ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern; auf dem Nachbargleis habe es vorher die Reparaturarbeiten gegeben.
Am Sonntag blieb aber unklar, warum der Zug nach Krakau falsch umgeleitet wurde. Untersucht wurde auch, mit welchem Tempo die Züge zusammenstießen und ob einer von ihnen abgebremst wurde. Für einiges Rätselraten sorgte das Schicksal der Lokführer. Am Abend hieß es dann, ein zunächst vermisster Lokführer sei unter den Toten identifiziert worden. Und auch der andere dürfte tot sein.
„Dies ist die tragischste Katastrophe seit Jahren“, sagte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk, der noch in der Nacht zur Unfallstelle geeilt war. „Unser Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Familien.“
Präsident Bronislaw Komorowski besuchte am Sonntag die Verletzten im Krankenhaus in der Stadt Sosnowiec. Später kam er auch zum Unfallort. Er ordnete für Montag und Dienstag eine zweitägige Staatstrauer an.
Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle übermittelte Polen die Anteilnahme der Regierung in Berlin: „Wir trauern mit den Angehörigen der Opfer und wünschen den Verletzten eine rasche Genesung.“ Nach Angaben des Bundespresseamts sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel Ministerpräsident Tusk am Telefon ebenfalls ihr tiefes Mitgefühl aus.
An Bord der Unglückszüge waren auch französische und spanische Passagiere. Sie blieben unverletzt. Hinweise auf deutsche Fahrgäste lagen nicht vor.