Zwei Jahre Ebola-Krise
Conakry (dpa) - Camara Fode Abass weiß, dass sein Leben nie wieder wie vorher sein wird. In der Familie des 36-Jährigen erkrankten 17 Menschen an Ebola. Nur vier wurden geheilt.
Die Trauer lastet schwer auf den acht Überlebenden. Sie haben Ehegatten, Kinder, Eltern und Geschwister verloren. Doch das Schlimmste, sagt Abass, ist das gnadenlose Stigma, das ihnen anhängt.
Niedergeschlagen sitzt der Mann vor seiner Lehmhütte in einem Armenviertel der Hauptstadt Conakry im westafrikanischen Guinea. „Es ist, als ob uns Ebola für immer markiert hat. Wir werden wie Aussätzige behandelt“, sagt Abass leise. Nachbarn, mit denen er als Kind aufwuchs, grüßen ihn nicht mehr. Er kann keine Arbeit finden. Die Familie hungert.
Seitdem Ebola im Dezember 2013 in Guinea ausbrach und sich rasant in die Nachbarländer Sierra Leone und Liberia ausbreitete, wurden fast 29 000 Menschen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit dem Virus infiziert. Mehr als 11 000 davon starben. Viele Überlebende leiden an weitgehend unerforschten psychischen und physischen Spätfolgen. Ebola hat tiefe Wunden hinterlassen.
„Die Epidemie hat nicht nur Gesundheitssysteme zerstört. Sie hat die Gesellschaft zu Boden gebracht“, sagt Hilde De Clerck, eine Expertin der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) für Hämorrhagisches Fieber. „Viele Gemeinden sind auf sozialer sowie wirtschaftlicher Ebene schwer von Ebola betroffen.“
Die Volkswirtschaften in Guinea, Sierra Leone und Liberia sind seit Ausbruch der Seuche gelähmt. Die Länder haben laut der Weltbank mehr als zwei Milliarden Euro ihres Bruttosozialprodukts verloren. Ausländische Investoren seien abgezogen. Projekte wurden auf Eis gelegt. Der Import-Export-Sektor sei so gut wie zum Stillstand gekommen. Die Arbeitslosigkeit sei drastisch gestiegen, während Lebensmittelpreise in die Höhe schossen, so die Weltbank.
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen musste seit April 2014 mehr als drei Millionen Menschen in Guinea, Liberia und Sierra Leone mit Lebensmitteln versorgen. Besonders betroffen sind mehr als 16 000 Kinder, die nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef aufgrund von Ebola verwaist sind. Mehr als fünf Millionen Mädchen und Jungen konnten für Monate nicht zur Schule gehen.
Zwei Jahre nach dem Ausbruch ist die Krise so gut wie überstanden. Sierra Leone gilt als Ebola-frei, in Guinea gibt es seit Oktober keine neuen Fälle mehr. In Liberia wurden am 3. Dezember die letzten beiden bekannten Ebola-Patienten geheilt aus dem Behandlungszentrum entlassen. Jetzt geht es vor allem um die Frage: Was haben wir gelernt?
Die WHO hat bereits öffentlich zugegeben, dass sie zu langsam auf die Krise reagiert hatte. Der erste Ebola-Tote, ein zweijähriger Junge, starb am 6. Dezember 2013 im guineischen Dorf Meliandou. Innerhalb von drei Wochen folgten ihm seine dreijährige Schwester, seine Mutter und Großmutter. Doch erst am 23. März 2014 registrierte die WHO den Ausbruch. Dutzende Einwohner des Dorfes waren inzwischen mit dem Virus infiziert. Viele waren aus Angst in andere Landesteile geflohen. Die Epidemie war nicht mehr aufzuhalten.
„Rückblickend kann ich sagen, dass wir viel, viel entschlossener hätten reagieren sollen“, erklärte WHO-Generaldirektorin Magaret Chan ein Jahr später. Zunächst hatten Experten die Krankheit als Cholera, dann als Lassa-Fieber fehldiagnostiziert. Auch als klar war, dass es um den hochansteckenden, tödlichen Ebola-Virus ging, handelte die WHO weiter zögerlich. Mittlerweile habe man erkannt, dass Risiken früher und klarer kommuniziert werden müssen, sagt die WHO. Man hätte außerdem von Anfang an mit örtlichen Behörden zusammenarbeiten sollen.
Auch die Hilfsorganisation MSF, deren Ärzte die ersten Ebola-Patienten aus Meliandou behandelten und bereits Anfang 2014 Alarm schlugen, habe bei diesem Ausbruch viel gelernt, sagt die Nothilfe-Koordinatorin der Organisation in Guinea, Laurence Sailly: „Wir wissen jetzt viel mehr über die Konstruktion von Behandlungszentren und die Behandlung selbst.“ Auch sei man sich nicht über die vielen gesundheitlichen Spätfolgen im Klaren gewesen.
Nun geht es darum, sicherzustellen, dass ein neuer Ausbruch nie wieder die gleichen Ausmaße nimmt. „Wir brauchen bessere Überwachungssysteme und in das Gesundheitssystem integrierte, multidisziplinäre Teams, die sofort agieren können“, sagt Mamoudou Djingarey, der stellvertretende Beauftragte der WHO in Guinea.
Gleichzeitig muss die Wirtschaft wieder angekurbelt werden. Die Weltbank hat finanzielle Hilfe von mehr als 2,5 Milliarden Euro für Guinea, Sierra Leone und Liberia zugesagt und Schulden in Höhe von rund 2 Milliarden Euro erlassen. Trotzdem wird es Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis sich die Länder von dem wirtschaftlichen Schock des Ausbruchs erholen.
Für die Familie von Abass könnte es bis dahin zu spät sein. „Schon vor Ebola war das Leben nicht einfach. Jetzt haben sich unsere Probleme vertausendfacht“, sagt der Mann und seufzt. „Ich weiß nicht, wie lange wir das noch durchhalten.“