Am Sonntag starten die Groko-Sondierungen — Kleine Scharmützel im Vorfeld
Dass sich CSU und die SPD nicht grün sind, obwohl beide das Wort "sozial" im Namen tragen, ist kein Geheimnis. Vor den anstehenden Sonsierungsgesprächen geht es natürlich hoch her.
Das Schweigegelübde hielt nur zwei Tage Mittwoch noch hatten sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD geschworen, ihre Sondierungsgespräche anders als bei Jamaika im Stillen durchzuziehen. Keine Durchstechereien, kein Getwitter aus den Sitzungen. Doch am Freitag, zwei Tage vor dem Start, lieferten sich Sozialdemokraten und CSU öffentliche Scharmützel. Auffällig: Die CDU beteiligte sich nicht.
Hintergrund der Auseinandersetzungen war die Klausurtagung der CSU in Kloster Seeon, die von Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mit allerlei Sottisen gegen die Sozialdemokraten garniert wurde. Die SPD müsse raus aus der „Schmollecke“, sagte Dobrindt, und dass sie in den Verhandlungen nicht mit Themen „aus der alten sozialistischen Klamottenkiste“ zu kommen brauche. Harsche Töne, die in der Feststellung gipfelten, dass „eine 20 Prozent-Partei nicht 100 Prozent der Ziele“ umsetzen könne.
Sprach‘s und ließ mit seiner Sechs-Prozent-Partei eine ganze Reihe harter Beschlüsse fassen, vom weiteren Aussetzen des Familiennachzugs bis zur Kürzung von Sozialleistungen für Asylbewerber. Forderungen, die durchaus geeignet wären, die Verhandlungen zum Scheitern zu bringen. Das befürchtet man jedenfalls in der CDU, aus der es hieß, man werde im Vorfeld nichts tun, was die Atmosphäre belaste. Man wisse um die Empfindlichkeiten der Sozialdemokraten. Bei denen muss am 21. Januar ein Parteitag anhand des Sondierungsergebnisses über die Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen entscheiden, und dieser Termin ist aus Sicht der CDU die größere Hürde als die ganz am Ende erforderliche Urabstimmung unter den SPD-Mitgliedern. Entsprechend hielten sich CDU-Politiker am Freitag strikt mit Äußerungen zurück.
Nicht so die SPD. Sie keilte gegen die CSU zurück. Man könne durchaus den Eindruck haben, die Christsozialen wollten die Sondierungen vor die Wand fahren lassen, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und forderte „Mäßigung“. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil tönte: „Wir sind nicht der schwächere Partner“ und stellte seinerseits einen Forderungskatalog auf — von der Beendigung der „Zwei-Klassen-Medizin“ durch eine neue Bürgerversicherung bis zu Milliardeninvestitionen im Bildungssektor und der Abschaffung des Kooperationsverbotes. Sein Parteichef Martin Schulz ergänzte das in einem Interview um die Forderung nach Steuererhöhungen für Top-Verdiener. Schulz: „Wir bleiben hart.“
Freilich, wenn am Sonntag, 12.00 Uhr (High Noon), die 39 Verhandler in der Berliner SPD-Zentrale zusammen kommen, 13 von jeder Partei, dürfte die Stimmung schon eine ganz andere sein. Und das nicht nur, weil CSU-Chef Horst Seehofer beschwichtigend erklärt hatte, die Beschlüsse der CSU-Landesgruppe richteten sich gegen niemanden, sie seien nur „die Darstellung unserer Position“. Zur Versachlichung dürfte die verabredete Organisation der Verhandlungen beitragen. Die 39 verteilen sich nämlich bald auf 15 Arbeitsgruppen zu den einzelnen Themengebieten. Je Partei kommt maximal ein Fachexperte dazu, so dass die Teams jeweils nur aus sechs Leuten bestehen. Bei Jamaika waren sie viel größer. Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz selbst bilden die Arbeitsgruppe Europa, jeweils begleitet von einem ihrer Top-Europapolitiker.
Fünf Tage lang geht man so in Klausur, abwechselnd in den beiden Parteizentralen und in der bayerischen Landesvertretung. Beginn immer neun Uhr morgens, Ende jeweils offen. Bei Bedarf tagt die große Runde und nimmt Zwischenergebnisse entgegen; auch können sich die drei Parteichefs jederzeit zum kleinen Gipfel zurückziehen, wenn es irgendwo hakt. Kommuniziert werden soll nur sehr dürr. „Keine ständigen Wasserstandsmeldungen“, heißt es. Donnerstagabend, spätestens Freitagfrüh soll dann das Sondierungsergebnis stehen, einige Seiten Papier. Damit geht es dann bei allen drei Parteien in die Gremien.