Abschied vom „Vater der Nation“: Venezuela trauert um Chávez
Caracas (dpa) - Trauer in Venezuela, Betroffenheit in aller Welt: Der venezolanische Staatschef Hugo Chávez (58), der am Dienstag in Caracas an den Folgen seiner schweren Krebserkrankung starb, ist von Freunden wie politischen Gegnern gewürdigt worden.
Der Leichnam des Präsidenten sollte in der Militärakademie in Caracas aufgebahrt werden, wo die Venezolaner sich von ihrem „Vater der Nation“ verabschieden können.
Zur offiziellen Trauerzeremonie für die Symbolfigur der Linken in Lateinamerika werden am Freitag zahlreiche Staatschefs aus der Region erwartet. In Venezuela gilt eine siebentägige Staatstrauer für den „Comandante“.
An zentralen Plätzen von Caracas und vielen anderen Städten des südamerikanischen Landes versammelten sich Zehntausende von Chavistas, Anhänger von Chávez, um ihre Trauer und ihre Unterstützung zu signalisieren. Auch vor dem Militärkrankenhaus Carlos Arvelo, in dem Chavez am Dienstag nach fast zweijährigem Kampf gegen den Krebs um 16.25 Uhr (Ortszeit) gestorben war, kamen seine Gefolgsleute zusammen. Viele hielten mit Tränen in den Augen Plakate mit dem Konterfei des 58-Jährigen in die Höhe. Auf ihnen stand der Schlachtruf „"Pa' lante Comandante“ (Vorwärts Comandante).
Der mit der Flagge Venezuelas bedeckte Sarg mit dem Leichnam des „Comandante“ wurde am Mittwoch - begleitet von Zehntausenden von Anhängern - vom Krankenhaus zur Militärakademie getragen. Soldaten der Ehrengarde schulterten den Sarg. Die Menschen weinten und sangen die Nationalhymne. An der Spitze des Trauerzuges lief ein Soldat, der eine Replik des Schwertes des Befreiungshelden Simón Bolívar trug. Auch Maduro geleitete den Sarg durch die Straßen der Hauptstadt.
Nach dem Tod des Staatschefs werden Neuwahlen fällig, die binnen 30 Tagen ausgerufen werden müssen. Bis dahin übernimmt Vizepräsident Nicolás Maduro (50), den Chávez schon während seiner Klinikaufenthalte als Nachfolger auserkoren hatte, die Amtsgeschäfte. Die Opposition rief zur Einheit auf. Oppositionsführer Henrique Capriles Radonski sagte mit Blick auf Chávez: „Wir waren Gegner, nie Feinde.“
Polizei und Militär sind überall im Einsatz. Bis zur Beisetzung am Freitag fällt der Unterricht an Schulen und Universitäten aus. Ort und Uhrzeit für die Beisetzung von Chávez waren zunächst unklar. Im Internet mehren sich die Stimmen, Chávez solle im National-Pantheon beigesetzt werden, wo auch Bolívar ruht.
Auch mehrere Länder Lateinamerikas, darunter Argentinien, Bolivien und Kuba, verhängten eine mehrtägige offizielle Staatstrauer. Für Revolutionsführer Fidel Castro sei Chávez wie ein „echter Sohn“ gewesen und für Staatschef Raúl Castro ein „herzlicher Freund“. „Chávez ist auch Kubaner“, erklärte die Regierung in Havanna. Chávez war in Kuba seit Juni 2011 viermal operiert worden und am 18. Februar nach mehr als zwei Monaten aus Havanna nach Caracas zurückgekehrt.
US-Präsident Barack Obama, den Chávez stets heftig kritisiert hatte, signalisierte das Interesse der USA an konstruktiven Beziehungen zu Caracas. „Während Venezuela ein neues Kapitel in seiner Geschichte beginnt, engagieren sich die Vereinigten Staaten weiter für eine Politik, die demokratische Prinzipien, Rechtsgrundsätze und den Respekt für Menschenrechte unterstützt.“
Staats- und Regierungschefs in Lateinamerika und vielen anderen Ländern würdigten Chávez als außerordentliche Persönlichkeit, großen Lateinamerikaner und streitbaren Kämpfer für Gerechtigkeit.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zog dagegen eine kritische Bilanz der Chávez-Jahre. Die 14 Jahre seien geprägt gewesen durch „eine dramatische Machtkonzentration und eine offene Missachtung der Menschenrechte“. Der Opposition, Journalisten und Menschenrechtlern seien grundlegende Rechte verweigert worden. Gerade in den letzten Jahren habe Chávez seine Macht genutzt, um Kritiker einzuschüchtern, zu zensieren und zu verfolgen.
Venezuela hatte erst am Dienstag zwei US-Militärattachés wegen angeblicher Verwicklung in „konspirative Pläne“ des Landes verwiesen. Die USA wiesen die Behauptungen als abwegig zurück. Zuvor hatte Vizepräsident Maduro erklärt, die schwere Krebserkrankung von Chávez sei auf eine gezielte Infizierung zurückzuführen gewesen. Die USA und die Feinde der Regierung hätten einen „psychologischen und schmutzigen Krieg“ gegen ihn und Venezuela geführt.
Maduro hatte den Tod Chávez' am Dienstag mit tränenerstickter Stimme verkündet. „Im immensen Schmerz dieser historischen Tragödie, die unser Vaterland berührt, rufen wir alle Landsleute auf, Wächter des Friedens, der Liebe, des Respekts und der Ruhe in diesem Vaterland zu sein“, sagte er.
Laut Verfassung müssen in Venezuela nun binnen 30 Tagen Neuwahlen ausgerufen werden. Der 50-jährige Maduro soll als Spitzenkandidat der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) ins Rennen gehen. Für die Opposition wird möglicherweise Capriles (40) einen neuen Anlauf unternehmen. Der Gouverneur von Miranda war Chávez bei der Wahl im Oktober 2012 unterlegen.