Afghanistan: Zustand von deutschem General stabil
Kabul/Berlin (dpa) - Der blutige Anschlag in Afghanistan, bei dem auch zwei Bundeswehrsoldaten getötet und ihr Kommandeur verletzt wurden, hat die Diskussion um die Sicherheit bei Auslandseinsätzen neu entfacht.
Auch Forderungen nach einer Gegenoffensive gegen die Taliban werden in Berlin laut.
Für die Bundesregierung steht die Afghanistanstrategie aber nicht infrage. Auch an der Zusammenarbeit mit den afghanischen Sicherheitskräften bei der Ausbildung will man festhalten.
Bei dem Anschlag auf hochrangige Sicherheitskräfte hatte sich am Samstag in der nordafghanischen Provinz Tachar nach ersten Erkenntnissen ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Offenbar hatte er sich mit einer Polizeiuniform Zutritt zu dem Treffen am schwer gesicherten Sitz des Gouverneurs in der Provinzhauptstadt Talokan verschafft. Zwei Bundeswehr-Soldaten aus Rheinland-Pfalz und Niedersachsen wurden getötet, fünf ihrer Kameraden verletzt, darunter der deutsche ISAF-Regionalkommandeur für Nordafghanistan, Generalmajor Markus Kneip. Er befand sich nach Angaben der Bundeswehr vom Sonntag in stabilem Zustand und will an seinem Kommando festhalten.
Auch der Polizeikommandeur für den Norden und frühere afghanische Vize-Innenminister, Daud Daud, kam bei dem Anschlag ums Leben. Unter den insgesamt sieben Toten befand sich außerdem der Polizeichef der östlich von Kundus gelegenen Provinz Tachar, Schah Dschahan Nuri. Neun Menschen wurden verletzt, darunter Tachars Gouverneur Abdul Jabar Taqwa. Zu der Tat bekannten sich die Taliban
Seit Beginn des Afghanistan-Einsatzes vor fast zehn Jahren ist Kneip der hochrangigste Verwundete der Bundeswehr und der internationalen Truppen insgesamt bei einem Anschlag. Der afghanische Präsident Hamid Karsai sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine umfassende Untersuchung des Selbstmordanschlages zu. Am Telefon habe Karsai der Kanzlerin noch einmal „die hohe Wertschätzung des afghanischen Volkes für das deutsche Engagement in seinem Land“ zum Ausdruck gebracht, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit.
Obwohl der uniformierte Attentäter zu den Sicherheitskräften gehört haben soll, die die Konferenz schützen sollten, will die Bundesregierung bei ihrer Partnerschaftsstrategie bleiben. „Wenn wir die Sicherheit allmählich in afghanische Hände übergeben wollen, dann geht es nur so, dass wir es mit den Afghanen zusammen tun“, sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière am Sonntag in Hamburg.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bekräftigte bei einem Besuch im Golfstaat Oman, dass die afghanischen Sicherheitskräfte innerhalb der nächsten Wochen die Verantwortung in ersten Regionen übernehmen sollen. Gegen Ende des Jahres soll dann wie geplant der Abzug der ersten deutschen Soldaten beginnen.
Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus forderte einen besseren Schutz der deutschen Soldaten. Es müsse besser kontrolliert werden, „ob in jeder afghanischen Uniform ein vertrauenswürdiger Partner steckt“, sagte er am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa.
Aus dem Bundestag kamen der Ruf nach Reaktionen auf die Taliban-Attacke. „Der Anschlag kann nicht ohne Folgen bleiben“, sagte Unions-Verteidigungsexperte Ernst-Reinhard Beck (CDU) der dpa. Nach einer solchen Attacke müsse „ein entsprechender Gegenschlag gegen die Taliban-Organisation in dieser Provinz“ erfolgen. Er sprach von einer „Eskalation der Ereignisse im Regionalkommando Nord“. Ähnlich äußerte sich die FDP-Expertin Elke Hoff. „Die Brutalität wird in den nächsten Monaten noch zunehmen“, prognostizierte sie. Auch Hoff forderte stärkere Kontrollen der afghanischen Sicherheitskräfte.
Am Bundeswehrlager in Talokan war es erst Mitte Mai zu schweren Ausschreitungen gekommen. Deutsche Soldaten hatten daraufhin gezielt auf Angreifer geschossen. Dabei waren elf Afghanen getötet worden, nach Angaben der Bundeswehr allerdings nicht von deutschen Soldaten, sondern von einheimischen Wachleuten. Mit dem Anschlag vom Samstag stieg die Zahl der in Afghanistan ums Leben gekommenen Bundeswehrsoldaten auf 50. Von ihnen starben 32 bei Gefechten oder Anschlägen.
Unterdessen drohen zwischen der Nato und der afghanischen Regierung neue Spannungen. Nach Angaben des Sprechers des Provinzgouverneurs, Daud Ahmadi, kamen bei einem Nato-Luftangriff in der südafghanischen Provinz Helmand in der Nacht zu Sonntag fünf Mädchen, sieben Jungen und zwei Frauen ums Leben. Drei Kinder, eine Frau und zwei Männer seien verletzt worden. Ahmadi sagte, US-Truppen seien im Distrikt Nawzad zunächst von Taliban-Kämpfern beschossen worden und hätten um Luftunterstützung gebeten. Daraufhin seien zwei Wohnhäuser mit Zivilisten bombardiert worden.
Bei einem weiteren Luftangriff im Nordosten Afghanistans wurden „versehentlich“ 18 Zivilisten und 20 afghanische Polizisten getötet, wie Dschalamuddin Badr, Gouverneur der Provinz Nuristan, mitteilte. Bei dem Angriff von US-Kampfjets, der allerdings schon am Donnerstag erfolgte, seien 85 Taliban getötet worden.
Ein Sprecher der Nato-geführten Internationalen Schutztruppe Isaf sagte, man kenne die Vorwürfe über angebliche zivile Opfer und untersuche die Vorfälle. Auch die afghanische Regierung kündigte eine Untersuchung an.