„Wäre eine Katastrophe“ Akhanli will nicht an Auslieferung denken

Madrid (dpa) - Der mit der Gefahr einer Auslieferung an die Türkei konfrontierte Kölner Schriftsteller Dogan Akhanli will nicht an das Schlimmste denken.

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„Ich hoffe, dass alles gut ausgeht“, sagte der auf Betreiben von Ankara in Spanien vorübergehend festgenommene Autor vor Journalisten in Madrid. Er betonte: „Eine Auslieferung wäre nicht nur für mich eine Katastrophe, es wäre auch für Spanien eine Katastrophe.“

Akhanli räumte aber ein, er sei ob seiner Lage beunruhigt, und er appellierte an die spanischen Behörden: „Dass ein demokratisches Land, das sich so lange mit Faschismus auseinandergesetzt hat, jemanden an ein Land ausliefert, das gerade in Richtung des klassischen Faschismus geht, das wäre tragisch.“ Der Autor warnt vor einem „juristischen und politischen Skandal“.

Akhanli war am Samstag im Spanien-Urlaub in Granada festgenommen, nach einem Tag aber wieder freigelassen worden. Er darf Spanien für die Dauer des Auslieferungsverfahrens nicht verlassen, muss seinen Pass abgeben und sich ein Mal pro Woche bei den Behörden melden. Nach der Festnahme sei ihm „schwindelig“ geworden, sagte er jetzt. „Ich hab mich sehr schlecht gefühlt.“

„Das ist tatsächlich für mich eine erschreckende Erfahrung, weil ich gedacht habe, dass ich in europäischen Händen in Sicherheit bin und dass die langen Hände der Willkür und Arroganz nicht bis dahin reichen können“, erklärte der 60-Jährige, der ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft hat. „Dass das der Fall war, dass ich in Europa nicht in Sicherheit bin, hat mich schockiert.“

Akhanli wird vorgeworfen, 1989 an einem Raubmord in Istanbul beteiligt gewesen zu sein. Ein Freispruch wurde nach Angaben türkischer Medien 2013 aufgehoben und der Fall neu aufgerollt. Die Vorwürfe wertet der Betroffene als politisch motiviert. Er sieht seine kritische Auseinandersetzung mit der Türkei als Ursache für seine von Ankara betriebene Festnahme. In der Türkei würde Akhanli lebenslange Haft drohen. „Man wird mich aber nicht zum Schweigen bringen“, betonte der Schriftsteller mehrfach in Madrid.

Berlin hält eine Auslieferung derweil für sehr unwahrscheinlich. „Wir können uns beim besten Willen nicht vorstellen, dass unter diesen Umständen (...) eine Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen in die Türkei in Betracht kommt“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer.

Schäfer bezog sich insbesondere auf „den Zustand des Rechtsstaats in der Türkei, aber auch die Vorwürfe, die in diesem Fall gemacht werden, die nach politischer Verfolgung geradezu riechen“. Dies habe die deutsche Botschaft bereits am Samstag kurz nach der Festnahme gegenüber der spanischen Regierung klar gemacht.

Akhanli sagte jetzt in Madrid, er habe nun das Gefühl, Deutschland sei der einzige Raum, in dem er in Sicherheit sei. Der spanische Anwalt des Autors, Gonzalo Boyé, sagte der Deutschen Presse-Agentur, eine Flucht über die offenen EU-Grenzen nach Deutschland werde trotz aller Risiken nicht in Erwägung gezogen. „Nein, er ist ein Mann des Rechts und wird hier bleiben. Er hat Gründe, hier zu bleiben und seine Causa zu verteidigen.“

Die türkischen Behörden haben nun nach Angaben der Anwälte des Kölners bis zu 40 Tage Zeit, die Auslieferung förmlich zu beantragen. Schäfer sagte, die Bundesregierung habe volles Vertrauen in die spanische Justiz und werde „nicht nachlassen“, die Argumente gegen eine Auslieferung einzubringen. Auch ein Sprecher der EU-Kommission sagte, man habe „volles Vertrauen, dass die spanischen Behörden diesen Fall nach EU-Recht behandeln“.

Interpol habe im Fall Akhanli nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, mit einer gesonderten Notiz deutlich zu machen, dass er wahrscheinlich aus politischen Gründen verfolgt werde, so Schäfer. Dies sei wohl auch der Grund für Spanien gewesen, den Fall zu verfolgen und den Schriftsteller festzunehmen.

Akhanli sucht nun für die Zeit seines Verfahrens noch eine Wohnung in Spanien. Er müsse für die Kosten im Prinzip selber aufkommen, es gebe aber in Spanien bereits Solidaritätsbekundungen, sagte Anwalt Boyé. „Es wird nicht leicht sein. Wir wissen nicht, wie lange sich alles hinziehen wird. Von irgendetwas muss er leben.“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schließt eine nochmalige Verschärfung der deutschen Linie gegenüber der Türkei unterdessen nicht aus. „Wir müssen uns immer wieder die Schritte vorbehalten“, sagte sie am Sonntagabend im Sender RTL auf eine Frage nach härteren Sanktionen.

Der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff sagte dem MDR, Innenminister Thomas de Maizière (CDU) müsse herausfinden, wer noch aus Deutschland auf den Interpol-Fahndungslisten stehe. Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen forderte: „Die Bundesregierung muss die Initiative ergreifen, die Türkei aus der Interpol-Konvention ausschließen zu lassen.“