Analyse: Kambodscha arbeitet den Völkermord auf

Am Montag beginnt der Prozess gegen die Drahtzieher. Die Gräueltaten liegen 30 Jahre zurück.

Phnom Penh. Für die Kambodschaner ist es, als würde in Deutschland Hitlers Stellvertreter und seinem Außenminister gleichzeitig der Prozess gemacht: Das schlimmste vom Staat angezettelte Gemetzel in der Geschichte des Landes wird von Montag an vor dem Völkermord-Tribunal aufgerollt.

Auf der Anklagebank sitzen die vier ranghöchsten überlebenden Drahtzieher des Terrorregimes der Roten Khmer: der Stellvertreter von Regimechef Pol Pot, Nuon Chea (84), der frühere Staatschef Khieu Samphan (79), Ex-Außenminister Ieng Sary (85) und dessen Frau, die einstige Sozialministerin Ieng Thirith (79). Unter ihrer Herrschaft kamen von 1975 bis 1979 zwischen 1,8 und 2,2 Millionen Menschen um.

Die Schreckensherrschaft ist in der kambodschanischen Gesellschaft jahrzehntelang wie ein Tabu behandelt worden. Zum einen kamen nach dem Fall des Regimes erst die vietnamesische Besatzung und ein Bürgerkrieg, dann wurde das Land in den 80er Jahren Spielball der Weltmächte.

Zum anderen ließen die Roten Khmer damals niemandem die Wahl: Wer nicht Opfer war, war Täter. Ein Viertel der Bevölkerung kam um.

Schuld und Sühne aufzuklären, war nach dem Ende des Regimes nicht Priorität des ausgemergelten Volkes. Bis heute leben in vielen Dörfern Mörder und Folterer Tür an Tür mit den Angehörigen ihrer Opfer.

An der Nationalstraße von Phnom Penh nach Battambang liegt ein Massengrab mit wahrscheinlich Tausenden Toten. Geborgen wurden die sterblichen Überreste nie. „Als ich klein war, war der Boden hier noch mit Knochen übersät“, erzählt Puon Kosal (23). Er zeigt auf einen Hemdfetzen, der aus dem Lehmboden hängt. „Wir nennen diesen Ort Gefängnis der Geister“, sagt er. Hier war das Chong-Chrouy-Gefängnis.

Erst ein einziger Scherge des Regimes ist bislang verurteilt worden: Kaing Guek Eav alias Kamerad Duch, der eines der schlimmsten Foltergefängnisse leitete und Zehntausende Menschen in den Tod schickte. Er zeigte zunächst Reue und wurde im vergangenen Jahr zu 35 Jahren Haft verurteilt.