Anders B. Breivik - Die Visitenkarte eines Massenmörders
Im Internet veröffentlichte der Attentäter Anders B. Breivik ein sorgfältig inszeniertes Profil.
Oslo. Auf der letzten Seite seines 1516 Seiten starken Manifests steht dieser Satz: „Ich glaube, dies wird mein letzter Eintrag sein. Es ist jetzt Freitag, der 22. Juli, 12.51 Uhr.“ Zweieinhalb Stunden später explodiert im Osloer Regierungsviertel eine Bombe, die sieben Menschen in den Tod reißt. Auf der Ferieninsel Utøya schießt der 32-jährige Anders B. Breivik mehr als 80 Jugendliche kaltblütig nieder.
Das alles sei „grausam, aber notwendig“ gewesen, sagt der Attentäter später im Verhör — er gesteht beide Anschläge, er soll sie neun Jahre lang geplant haben.
„Die Zeit für Dialog ist vorbei. Wir haben dem Frieden eine Chance gegeben. Jetzt ist die Zeit für bewaffneten Widerstand gekommen“, schreibt Breivik unter englischem Pseudonym in seinem Manifest, das mehreren norwegischen Medien vorliegt. „2083. Eine europäische Unabhängigkeitserklärung“ hat er das Manuskript genannt. Er will Europa vor dem Islam und dem „Kulturmarxismus“ retten. Sich selbst nennt er „Tempelritter“.
In dem Manuskript, das er rund eine Stunde vor dem ersten Attentat an Freunde gemailt hat, interviewt sich Breivik selbst. Seine Operationen habe er allein geplant und zur Sicherheit mit niemandem darüber geredet. „Er ist blond, blauäugig und kalt wie Eis“ beschreibt ihn ein Vernehmungsbeamter.
Im Internet hinterlässt Breivik eine sorgfältig inszenierte Visitenkarte: Die Profile unter seinem Namen bei Facebook und dem Kurznachrichtendienst Twitter sind erst am 17. Juli entstanden. Auf Twitter steht nur dieser Satz: „Ein Mensch mit einem Glauben hat die Kraft von 100 000, die nur Interessen haben.“ Es ist ein Zitat des englischen Philosophen John Stuart Mill. Der Twitter-Account war gestern noch aktiv — bis dahin hatte er mehr als 2400 Leser.
In der Öffentlichkeit will Breivik als konservativer Christ gesehen werden. Der Facebook-Seite zufolge, die noch in der Nacht zum Samstag gesperrt wurde, hat er ein Osloer Handelsgymnasium besucht. Er gehe gerne jagen, spiele „World of Warcraft“. Das Profil outet ihn als Liebhaber klassischer Musik, Kants „Kritik der reinen Vernunft“ und Adam Smiths „Der Wohlstand der Nationen“.
Deutlicher sind die nationalistischen Einträge unter dem Namen Anders B. Breivik auf der islamkritischen Internetseite document.no: Wortgewandt teilt er in den schon älteren Einträgen die Welt in kulturkonservative Menschen und Multikulturalisten, die eine „anti-europäische Hassideologie“ vertreten. Ihr Ziel sei es, die europäische Kultur, die Nationalstaaten und das Christentum zu zerstören.
In seinem Manifest gibt Breivik eine Anleitung, wie der Multikulturalismus ausgelöscht werden müsse. Er listet Rezepte zur Herstellung von Sprengstoffen und Chemikalien auf. In einer Art Tagebuch beschreibt er, wie er auf seinem Bauernhof nördlich von Oslo die Bombenherstellung probte. Laut Handelsregister sollte Breivik hier Gemüse anbauen — in Wahrheit nutzte er die Biofarm, um sechs Tonnen Kunstdünger zu kaufen, der als Sprengstoff genutzt werden kann.