Anschlag von Talokan offenbar kein Selbstmordattentat
Kabul/Berlin (dpa) - Der blutige Anschlag im nordafghanischen Talokan auf ein deutsch-afghanisches Sicherheitstreffen war offenbar doch kein Selbstmordattentat.
Nach vorläufigen Erkenntnissen der internationalen Schutztruppe Isaf und des afghanischen Geheimdienstes NDS tötete ein ferngezündeter Sprengsatz zwei deutsche Soldaten und fünf Afghanen.
Bei dem Anschlag im Amtsgebäude des Gouverneurs der Provinz Tachar war mit dem deutschen Regionalkommandeur Markus Kneip erstmals auch ein Isaf-General verletzt worden. Unter den Toten waren auch zwei hochrangige afghanische Polizeichefs. Zunächst war vermutet worden, dass ein Selbstmordattentäter in Polizeiuniform der Täter war. Insgesamt wurden sechs Bundeswehrsoldaten verwundet, darunter eine Frau schwer. Ihr Zustand war am Montag aber stabil.
Eine Airbus-Maschine mit drei getöteten Bundeswehrsoldaten traf am Abend auf dem Militärflughafen Köln-Wahn ein. Darunter sind die beiden in Talokan getöteten Soldaten. Der dritte Soldat war bereits am Mittwoch bei einem Sprengstoffanschlag in der Provinz Kundus ums Leben gekommen. Für die Angehörigen wurde eine kurze private Trauerfeier auf dem Flughafen ausgerichtet. Am Freitag soll eine weitere Trauerfeier in Hannover stattfinden.
Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) kündigte an, den Schutz der deutschen Soldaten zu verbessern und auf strengere Sicherheitsstandards bei den afghanischen Verbündeten zu dringen. „Aber einen vollständigen Schutz bei einem solch gefährlichen Einsatz, den kann es nicht geben“, sagte er dem NDR. Der Anschlag in Talokan hatte die Diskussion über das Konzept des „Partnerings“ - die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte in engster Zusammenarbeit und auch an der Front - wieder angeheizt.
Der afghanische Geheimdienst überraschte am Montag mit dem Ermittlungsergebnis, dass der Sprengsatz ein oder zwei Tage vor dem Anschlag in der Eingangshalle des Gebäudes versteckt und dann ferngezündet wurde. Der oder die Attentäter müssten Verbindungen in das Büro des Gouverneurs haben, sagte NDS-Sprecher Lutfullah Maschal der Nachrichtenagentur dpa in Kabul. Sprengstoffexperten seien zu dem Schluss gekommen, dass es sich um einen versteckten Sprengsatz und nicht um einen Selbstmordanschlag gehandelt habe. Zudem seien weder Leiche noch Körperteile eines Attentäters gefunden worden. Es habe erste Festnahmen gegeben.
Wenige Stunden später bestätigte auch die Isaf die Ermittlungsergebnisse der Afghanen. „Es hat sich allem Anschein nach nicht um einen Selbstmordattentäter gehandelt, sondern um einen ferngezündeten Sprengsatz in oder an einer Gebäudewand“, sagte ein Sprecher in Masar-i-Scharif der dpa. „Die Feststellungen des afghanischen Geheimdienstes decken sich mit ersten Untersuchungsergebnissen von Isaf.“
Das Ergebnis der Isaf-Untersuchungen wird durch einen Bericht des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr an den Bundestag bestätigt, aus dem die „Financial Times Deutschland“ zitierte. Darin ist auch von „nachrichtendienstlichen Hinweisen“ die Rede, dass nicht Generalmajor Kneip, sondern der Polizeichef für Nordafghanistan, General Daud Daud, das „eigentliche Ziel“ des Anschlags gewesen sei.
Die verletzten deutschen Soldaten sollen an diesem Dienstag zur weiteren medizinischen Versorgung nach Deutschland gebracht werden. Kneip wird wahrscheinlich nach drei Wochen in den Einsatz zurückkehren. Bis dann wird der Kommandeur des Bundeswehrkontingents und der gesamten Isaf im Norden Afghanistans von Brigadegeneral Dirk Backen aus dem nordrhein-westfälischen Augustdorf vertreten.
Die Bundeswehr wird am Freitag in Hannover mit einer zentralen Trauerfeier von den insgesamt drei Soldaten Abschied nehmen, die in der vergangenen Woche in Afghanistan getötet wurden. Bereits am Mittwoch fiel in Kundus ein 33-jähriger Hauptmann bei einem Sprengstoffanschlag auf eine Bundeswehrpatrouille. Bei den beiden in Talokan getöteten Soldaten handelt es sich um einen 31-jährigen Hauptfeldwebel aus Niedersachsen und einen 43-jährigen Major aus Rheinland-Pfalz. Neben de Maizière (CDU) wird auch Kneip bei der Trauerfeier erwartet.
Im Süden des Landes wurde erneut ein Isaf-Soldat von einem Attentäter in afghanischer Armeeuniform erschossen. Nach afghanischen Angaben handelte es sich bei dem Opfer um einen Australier.
Die Isaf entschuldigte sich unterdessen für die versehentliche Tötung mehrerer Kinder und Zivilisten bei einem Luftangriff in der südafghanischen Provinz Helmand. Nach Angaben der Provinzregierung waren bei dem Bombardement in der Nacht zu Sonntag zwölf Kinder und zwei Frauen getötet worden. Der Isaf-Regionalkommandeur, US-Generalmajor John Toolan, sprach in einer Mitteilung von neun getöteten Zivilisten.