#ParisAttacks ARD-Reporter Tom Bartels: „Da hatte ich Angst“

Wie ARD-Reporter Tom Bartels das tragische Zusammenspiel von Fußball und Terror beim Länderspiel im Stade de France bewältigte.

Sportmoderator Tom Bartels kommentierte das Länderspiel im Stade de France.

Foto: Uwe Anspach

Paris. Das WM-Finale 2014 war der Höhepunkt im Arbeitsleben von ARD-Kommentator Tom Bartels und seinem Assistenten, Ex-Fußballprofi Gerrit Meinke. Dagegen sollte der Abend im Stade de France zum traurigsten aller gemeinsamen Erlebnisse werden. In den 90 Minuten voller Ungewissheit und Terror machte Fußball-Experte Bartels alles richtig.

„Ich hatte die große Sinnlosigkeit des Spiels im Kopf und dachte: Wie kommen all die Menschen heil nach Hause?“, so Bartels zu unserer Zeitung. Eigentlich hört er während der Übertragungen auf seinem Kopfhörer nur Hinweise zum Spiel von Gerrit Meinke. Die Jugendfreunde spielten schon gemeinsam Fußball für TuRa Melle und sitzen seit zehn Jahren bei den großen Turnieren am Reporterplatz nebeneinander. In Paris lieferte eine Redakteurin aus der Regie die Terror-Meldungen. Zunächst die von einer Schießerei im Zentrum. „Das kann in einer Großstadt wie Paris schon mal vorkommen“, dachte Meinke zunächst.

Dann musste Bartels in der 55. Minute den Zuschauern die Explosionen aus der ersten Halbzeit erklären. „Wie lapidar und wie unwichtig erscheint da ein Fußballländerspiel“, fügte er hinzu. Die ersten Toten verkündete Bartels wenig später und bekannte: „Ich sage Ihnen ganz ehrlich. Schwer, da jetzt eine Mischung zu finden zwischen dem Verkünden dieser Horrornachrichten und einem hochinteressanten Freundschaftsspiel.“

Sein Assistent Meinke hatte schon eine SMS-Nachricht an seine Frau gesendet, was während des Live-Einsatzes eigentlich ein Tabu ist. „Irgendwann habe ich meine Augen vom Spielfeld genommen, um die Hintergründe vom Internet bestätigen zu lassen“, sagt der frühere Mittelstürmer des VfL Osnabrück und heutige Geschäftsführer von Arminia Bielefeld. Während Bartels immer stummer wurde, entschieden die Redaktionskollegen auf Interviews am Spielfeldrand zu verzichten. "Ich sehe mich leicht überfordert, Schreckensnachrichten und Fußball zu reportieren", bekannte Bartels und meinte am Tag nach dem Spiel: „Ich war lange nicht sicher, ob ich vielleicht übersensibel bin." Man wünschte sich, „irgendwie erlöst zu werden“.

Statt sich über Erfrischungen im Presseraum herzumachen mussten Bartels und Meinke nach Abpfiff noch Stunden auf der Tribüne sitzen bleiben. Die ARD schob Sondersendungen der „Tagesschau“ ein, die auch mit Interviewschaltungen zu Bartels gefüllt wurden, als noch drei Millionen Fernsehzuschauer dabei waren. „In der Wartephase sprangen hinter uns Tausende Fans auf in Richtung Rasen“, erinnert sich Meinke, „einer machte die Geste, als würde oben jemand um sich schießen. Da hatte ich Angst“. Nach Sendeschluss traf sich die ARD-Crew im Aufenthaltsraum. „Da war absolute Stille“ beobachtete Meinke, „keiner wollte etwas sagen“. Nicht einmal der grundoptimistische ARD-Experte Mehmet Scholl.

Das Team um Bartels erhielt später viel Lob. Die „Süddeutsche Zeitung“ attestierte: „Sie blieben Reporter, ohne aber zu vergessen, auch Menschen und selbst betroffen zu sein vom Unfassbaren.“ Auch bei Facebook gab es Zustimung: „Tom Bartels Hut ab. Sowas lernt man in keiner Ausbildung.“ - „Ein Glück, dass er die Nerven und die Kraft in dieser schrecklichen Situation hatte, das so zu meistern“ Immerhin brachte der Abend noch eine mediale Erkenntnis: Interviews nach Spielschluss sind durchaus entbehrlich.