Assad kündigt Verfassungsreferendum an
Damaskus/Istanbul/Rio de Janeiro (dpa) - Vor einer geplanten Syrien-Resolution der UN-Vollversammlung hat der syrische Präsident Baschar al-Assad eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung angeordnet.
Mit dem Referendum am 26. Februar will er der Protestbewegung die Spitze nehmen.
Während Russland den Schritt begrüßte, blieb der Westen angesichts fortdauernder Gewalt skeptisch. In den Hochburgen der Protestbewegung gegen Assad ging das Töten am Mittwoch weiter.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) reagierte skeptisch auf Assads Ankündigung. Am Rande seines Besuchs in Rio de Janeiro sagte er: „Winkelzüge, taktische Manöver - darauf werden wir uns nicht einlassen. Was für uns zählt ist, dass der Weg frei gemacht wird für einen demokratischen Übergang und dass die Gewalt eingestellt wird.“ Danach werde Assad gemessen - „und an nichts anderem“.
Syriens Verbündeter Russland begrüßte das Verfassungsreferendum. „Die politischen Reformen kommen spät - aber besser spät als nie“, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Mittwoch nach Angaben der Agentur Interfax. Lawrow forderte die internationale Gemeinschaft auf, Assads Regime als Partner anzuerkennen und nicht weiter zu isolieren. Er reist an diesem Donnerstag nach Wien zu Syrien-Krisengesprächen mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.
In New York will die UN-Vollversammlung nach Angaben von Diplomaten an diesem Donnerstag über eine Syrien-Resolution abstimmen. Die Vollversammlung kann zwar offiziell Verurteilungen aussprechen. Diese haben aber rein appellativen Charakter. Sanktionen gegen Syrien könnte nur der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschließen, was Russland und China aber bislang verhindern.
Die geplanten Verfassungsänderungen sehen vor, die Monopolstellung der Baath-Partei aufzuheben, mit der vor Assad schon sein Vater Hafis al-Assad regiert hatte. Der Sozialismus wird offiziell aufgegeben. Die Frage, wie das Referendum praktisch ablaufen soll, während in mehreren Provinzen Bürgerkrieg herrscht, blieb offen.
In den Hochburgen des Protests in der Provinz gegen Assad ging das Töten am Mittwoch weiter. Aktivisten zählten landesweit 21 Tote. Auch in Damaskus selbst marschierte im Stadtteil Birsa nach Angabe von Augenzeugen die Armee auf. Schüsse waren zu hören. Aktivisten meldeten, die Soldaten hätten Gebäude angezündet.
Eine Explosion in der Stadt Homs zerstörte eine Gasleitung. Nach Angaben von Aktivisten flogen kurz vor der Explosion Kampfjets der Regierung über den Explosionsort. Eine Granate habe die Leitung getroffen. Syrische Staatsmedien machen dagegen Terroristen für die Explosion verantwortlich. Seit Beginn der Proteste gegen Assad im März 2011 wurden nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten mehr als 6300 Zivilisten in Syrien getötet.
Zwei Tage vor dem geplanten Referendum soll in Tunis ein erstes Treffen der sogenannte Gruppe der Freunde Syriens stattfinden. Dazu werden vor allem arabische und westliche Politiker und Diplomaten erwartet sowie Vertreter der syrischen Opposition. Der Syrische Nationalrat (SNC) will bis zur Konferenz weitere Oppositionsgruppen an sich binden. Bundesaußenminister Westerwelle betonte nach Angaben des Auswärtigen Amtes, dass von dem Treffen in Tunis ein Zeichen der Solidarität mit den Menschen in Syrien und den Bemühungen der Arabischen Liga zur Beilegung der Krise ausgehen müsse.
Die Nato bekräftigte, sie habe „keine wie auch immer geartete Absicht zum Eingreifen in Syrien“ und unterstütze alle Bemühungen um eine Konfliktlösung. „Und ich schätze die Arbeit der Arabischen Liga. Ich glaube, dass eine regionale Lösung gefunden werden muss“, sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Mittwoch in Brüssel.
Zahlreiche Abgeordnete des Europaparlaments forderten von der Europäischen Union mehr Druck auf das Regime von Assad. „Wir befinden uns mitten in einem Krieg, und ich hätte gerne gewusst, welche Strategie wir haben“, sagte der Vorsitzende der Liberalen im Parlament, der frühere belgische Regierungschef Guy Verhofstadt, am Mittwoch in Straßburg.