Songcontest in Aserbaidschan: Menschenrechte — null Punkte
20 Jahre nach Aserbaidschans Unabhängigkeit sieht in dem Land vieles düster aus — schlechte Vorzeichen für das ESC-Finale im Mai.
Baku. Ein Land putzt sich heraus: Für Aserbaidschan wird der Eurovision Song Contest (ESC) die größte internationale Veranstaltung in der jüngeren Geschichte. Das Innenministerium der Kaukasus-Republik hat den Polizisten Englischkurse verordnet, um die ausländischen Gäste vorbildlich schützen zu können. Doch die Vorbereitungen werden überschattet von Zwangsräumungen im Zuge eines groß angelegten Sanierungsprogrammes. Dies läuft, von Öl-Dollars befeuert, bereits seit Jahren, das Tempo zieht aber durch das anstehende ESC-Finale deutlich an.
Mehrere hundert Familien müssen ihre Wohnungen räumen — die Häuser müssen der so genannten Kristallhalle nahe des zentralen Flaggenplatzes weichen. Die Behörden bieten zwar Entschädigungen an. Diese empfinden die Menschen jedoch als unangemessen. Vergleichbare Apartments im Herzen der Hauptstadt seien damit nicht bezahlbar, sagen sie.
Es liegen noch mehr Schatten auf dem ESC-Land. Denn die Führung um den autoritären Staatschef Ilcham Alijew ist in der Vergangenheit immer wieder wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Einschränkungen der Pressefreiheit kritisiert worden. Die Organisation Reporter ohne Grenzen führt das Land auf ihrer Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 152, noch hinter Afghanistan. Der Staatsapparat drangsaliert Oppositionelle, die in fragwürdigen Prozessen verurteilt oder von Schlägern misshandelt werden. Auch Tote gab es.
Die Polizei geht brutal gegen Demonstranten vor. „Wer in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku laut Freiheit ruft, riskiert bis zu zehn Tage Gefängnis“, kritisiert Amnesty International. „Das Land versucht, jede kritische Stimme zum Schweigen zu bringen“, erklärte Tim Schröder, Südkaukasus-Experte.
Aber im Bemühen um Ansehen zieht die Führung um Alijew alle Register. Ende September feierte seine Frau Mehriban in Berlin 20 Jahre Unabhängigkeit ihres Landes. Doch dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning, war erst im Monat zuvor ein Treffen mit einem mutmaßlichen politischen Gefangenen verweigert worden.
Der ESC sei aber eine Chance, um auf die Missstände aufmerksam zu machen — glaubt Löning: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man Lieder trällern kann, während ein paar Kilometer weiter Leute ohne Grund im Gefängnis sitzen.“