Assad-Regime dementiert Giftgas-Berichte
Damaskus/Berlin (dpa) - Das syrische Regime hat Berichte über einen angeblich geplanten Giftgas-Einsatz dementiert. Es handele sich um eine Verschwörung des Westens mit dem Ziel, eine Militärintervention vorzubereiten, sagte Vize-Außenminister Faisal Mekdad.
Außenminister Guido Westerwelle wies Spekulationen über ein Eingreifen zurück: „Deutschland ist an keinerlei Überlegungen oder Planungen beteiligt, die auf eine Intervention hinauslaufen.“ Mit einem Chemiewaffen-Einsatz durch das Regime wäre jedoch eine „rote Linie“ überschritten. Ab Jahresbeginn sollen bis zu 400 Soldaten der Bundeswehr den Nato-Partner Türkei vor Angriffen aus Syrien schützen.
Das Thema Giftgas war aufgekommen, weil der US-Fernsehsender NBC berichtete, das Regime von Präsident Baschar al-Assad bereite den Einsatz von Fliegerbomben mit Nervengift vor. Unter Berufung auf namentlich nicht genannte US-Regierungsbeamte hieß es, das Militär warte auf einen Befehl, solche Waffen gegen aufständische Bürger einzusetzen. Sollte Assad den Befehl geben, könne die Welt „wenig unternehmen, um das zu stoppen“.
Pentagon-Chef Leon Panetta sagte am Donnerstag in Washington, die Informationen, die die USA hätten, lösten „ernsthafte Besorgnis“ aus, dass ein solcher Schritt erwogen werde - gerade angesichts der militärischen Erfolge der Aufständischen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon schrieb Assad in einem Brief, ein Chemiewaffen-Einsatz wäre ein „abscheuliches Verbrechen mit schrecklichen Konsequenzen“.
Die Nato hatte Assad bereits mit Konsequenzen gedroht, sollte er Chemiewaffen einsetzen. Laut Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstag) erwägt die Nato-Führung auch eine Militärintervention für den Fall, dass die für die Ölversorgung wichtige Straße von Hormus am Persischen Golf blockiert wird.
„Wir haben gesagt, dass wir solche Waffen, falls sie denn in Syrien existieren sollten, nicht gegen das syrische Volk einsetzen würden“, versicherte Vize-Außenminister Mekdad. Ob überhaupt Chemiewaffen in Syrien sind, ist unklar. Vor Wochen gab es Gerüchte, die Substanzen seien in den Iran geschafft worden, um dem Westen keinen Anlass für eine Intervention zu liefern.
Gleichwohl schüren Anhänger des syrischen Regimes Ängste vor Chemiewaffen in den Händen islamistischer Terroristen. Am Donnerstag tauchte im Internet ein Video auf, das angeblich zeigen soll, wie Al-Kaida-Terroristen in Syrien Tierversuche mit Nervengas machen. Unabhängige Beobachter äußerten jedoch Zweifel an der Authentizität.
Am Donnerstag sollen in Syrien nach Angaben von Aktivisten 31 Menschen getötet worden sein. Die meisten Opfer seien Rebellen gewesen, die im Umland von Damaskus ums Leben gekommen seien.
Westerwelle zeigte sich in Berlin sicher, dass innerhalb der UN bei einem Chemiewaffen-Einsatz eine neue Lage entstehen würde, bei der auch Russland und China ihre Haltung überdenken müssten: „Darauf zielen auch die politischen Mahnungen, die zurecht von allen Beteiligten der internationalen Gemeinschaft ausgesprochen wurden“, sagte er. Es gelte „Vorkehrungen dafür treffen, dass nicht irrationale, menschenverachtende Reaktionen oder Maßnahmen ergriffen werden, die dann wiederum auch eine erhebliche Gefährdung für unseren Partner Türkei bedeuten könnten“.
Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betonte bei seinem Besuch in Berlin, es gelte dafür zu sorgen, dass Chemiewaffen nicht benutzt würden und nicht in die Hände von Terroristen fielen.
US-Außenministerin Hillary Clinton hatte am Mittwoch betont, sollte „ein zunehmend verzweifelter Assad“ auf Chemiewaffen setzen oder die Kontrolle über diese Waffen verlieren, sei für die Nato-Staaten eine rote Linie überschritten.
Das Bundeskabinett billigte in einer Sondersitzung die Entsendung von zwei „Patriot“-Raketenabwehrstaffeln und die Überwachung des türkischen Luftraums mit Awacs-Aufklärungsflugzeugen. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sowie Westerwelle (FDP) betonten den „klar defensiven Charakter“ der neuen Mission, an der sich auch die Niederlande und die USA beteiligen.
Der Bundestag soll bereits kommende Woche über die Mission abstimmen. Eine breite Mehrheit ist wahrscheinlich. Anfang des neuen Jahres sollen die Abschussrampen dann einsatzbereit an der türkisch-syrischen Grenze stehen - wo genau ist noch offen. Für die Bundeswehr soll eine Höchstgrenze von 350 Soldaten plus eine Reserve von 50 Soldaten gelten. Die „Patriot“-Raketen sind für die Abwehr von Flugzeug-, Raketen- oder Drohnenangriffen geeignet.