Nato schickt „Patriots“ in Türkei - Warnung an Syrien
Brüssel/Damaskus (dpa) - Die Nato hat die Entsendung von „Patriot“-Flugabwehrraketen ins türkische Grenzgebiet zu Syrien beschlossen. Die Außenminister warnten das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad in einer Erklärung vor einem Angriff auf das Nato-Mitglied Türkei.
Gemäß dem Beschluss vom Dienstagabend in Brüssel wird eine noch nicht feststehende Zahl von „Patriot“-Raketen aus Deutschland, den Niederlanden und den USA in die Türkei gebracht - vermutlich im Laufe des Januar.
„Jedem, der einen Angriff auf die Türkei erwägt, sagen wir: Denk gar nicht erst dran“, sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. „Wir stehen an der Seite der Türkei im Geiste starker Solidarität.“ Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle bezeichnete den Beschluss als „klares Signal an das Assad-Regime, den Konflikt in Syrien nicht weiter über die Landesgrenzen hinauszutragen“. Noch in dieser Woche werde die Bundesregierung einen Entwurf für einen Beschluss des Bundestages vorbereiten. Er rechne mit einer „breiten Unterstützung“.
Die Türkei hatte die Nato um die Entsendung der „Patriots“ gebeten, nachdem türkisches Gebiet mehrfach aus Syrien beschossen worden war. „Die Stationierung wird ausschließlich defensiv sein. Sie wird in keiner Weise eine Flugverbotszone oder eine offensive Operation unterstützen“, heißt es in der Erklärung der Nato- Außenminister. Es gehe ausschließlich darum, Bevölkerung und Territorium der Türkei zu schützen.
„Wir haben keinerlei Absicht, militärisch einzugreifen“, sagte Rasmussen zum Konflikt zwischen der Opposition und dem Regime in Syrien. „Es gibt keine Änderung in unserer Haltung. Aber wir werden das Nötige tun, um unseren Verbündeten Türkei zu schützen.“ Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte, Moskau habe keine Einwände gegen die Raketen-Stationierung. Russland warne aber vor „Übertreibungen“ der Bedrohung aus Syrien und vor einer ausländischen Militärintervention in dem Land.
Rasmussen sagte, die Nato-Außenminister seien über Berichte, wonach die syrische Regierung den Einsatz chemischer Waffen gegen Aufständische erwäge, „sehr besorgt“. „Solch eine Handlung wäre völlig inakzeptabel und ein Verstoß gegen internationales Recht.“
Westerwelle sprach von „Irrationalität und Unmenschlichkeit“ Assads. Sollte das Regime tatsächlich chemische Waffen einsetzen, würde dies zu einer „sehr schnellen und gemeinsamen Reaktion“ der internationalen Gemeinschaft führen, sagte Westerwelle und bezeichnete diesen Fall als „rote Linie“.
US-Präsident Barack Obama sagte in Washington, „der Einsatz von chemischen Waffen ist und wäre völlig inakzeptabel“. Die Welt schaue auf Syrien. „Wenn Sie den tragischen Fehler begehen, diese Waffen einzusetzen, wird dies Konsequenzen haben und Sie werden dafür zur Verantwortung gezogen“, sagte Obama. Bereits im August hatte er für diesen Fall mit einem Militärschlag gedroht.
Das Außenministerium in Damaskus hatte zuvor versichert, dass Chemiewaffen - sofern überhaupt vorhanden - niemals gegen das syrische Volk benutzt würden.
„Wir wissen, dass Syrien Raketen hat, wir wissen, dass sie chemische Waffen haben. Und natürlich muss das in unsere Kalkulationen einfließen“, sagte Rasmussen. „Das ist auch der Grund, warum es dringlich ist, die wirksame Verteidigung und den Schutz unseres Bündnismitgliedes Türkei sicherzustellen.“
Das Blutvergießen dauerte in Syrien weiter an. Insgesamt kamen nach Angaben der Opposition bis zum Abend landesweit rund 123 Menschen ums Leben. Mindestens 29 Schüler und ein Lehrer wurden beim Granatenbeschuss einer Schule getötet. Staatsmedien warfen „Terroristen“ den Angriff auf das Schulgebäude im Wafidin Camp im Großraum Damaskus vor.
Nach Angaben der syrischen Menschenrechtsbeobachter in London wurde ein syrischer Journalist, der für eine staatliche Zeitung schrieb, von Rebellen hingerichtet. Das meldete auch die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Er sei in der Hauptstadt auf dem Weg zur Arbeit gewesen, als er in die Hände von Assad-Gegnern fiel, hieß es.
Meldungen aus Syrien sind wegen der Medienblockade des Regimes von unabhängiger Seite nur schwer zu überprüfen. Dem seit März 2011 immer blutiger werdenden Konflikt sind inzwischen mehr als 40 000 Menschen zum Opfer gefallen.