Auto-Metropole Detroit ist pleite
Washington/Berlin (dpa) - Einst war Detroit eine blühende Autostadt. Seit Jahrzehnten aber erlebt die „Motor City“ einen beispiellosen Niedergang, Schulden in Milliardenhöhe häuften sich an. Nun hat die Stadt die Notbremse gezogen.
In Deutschland wäre ein Fall Detroit nicht möglich.
Es ist die größte Städtepleite in der Geschichte der USA. Ein Schuldenberg von mehr als 18 Milliarden Dollar (13,7 Milliarden Euro) lastet auf der Stadt. „Niemand von uns wollte, dass es so weit kommt“, sagte der Gouverneur von Michigan, Rick Snyder, am Freitag. „Vor uns steht ein Berg an schwierigen Aufgaben.“ Die Einwohner Detroits hätten es verdient, dass der langen Talfahrt endlich ein Ende gesetzt werde.
Der Schuldenstand Detroits war laut Snyder unhaltbar. Erst durch den Antrag auf Gläubigerschutz könne die Stadt wieder auf den richtigen Weg gelangen. Mit einem Gläubigerschutz unter Kapitel 9 des US-Insolvenzrechts soll Detroit saniert werden. Anders als bei einem Antrag nach Kapitel 11, das für Unternehmen gedacht ist, muss ein Gericht noch über den Insolvenzantrag entscheiden. Dieser Prozess könnte sich mehrere Monate hinziehen. Eine Garantie, dass die hoch verschuldete als „Motor City“ bekannte Stadt dadurch wieder auf die Beine kommt, bietet das Insolvenzverfahren aber nicht.
Wirtschaftsexperte Kevyn Orr, der Detroits marode Finanzen sanieren und die Stadt vor der Pleite retten sollte, sah „keine zumutbare Alternative“ zum Insolvenzantrag. Dieser gebe der Stadt Spielraum. Zuletzt war die Stadt wegen ausstehender Zahlungen immer wieder verklagt worden - nach Angaben Orrs fast jede Woche. Zu lange seien die massiven Finanzprobleme ignoriert worden. Mit den Möglichkeiten des Gläubigerschutzes solle Detroit nun wieder auf eine solide Grundlage gestellt werden.
So könnten im Zuge der Sanierung neben Investoren, die Detroit ihr Geld geliehen haben, auch manche Pensionäre verzichten, wie die Sanierungsexpertin Annerose Tashiro von der Anwaltskanzlei Schultze & Braun der dpa sagte. „Das dürfte aber nicht in erster Linie einfache Arbeiter treffen, vielmehr geht es um ausufernd hohe Pensionen. Ein Beispiel sind die Polizeichefs.“
Auf Unterstützung der US-Regierung kann Detroit nicht zählen. Die Schwierigkeiten müssten vor Ort gelöst werden, sagte eine Sprecherin von US-Präsident Barack Obama. Das Weiße Haus beobachte aber die Lage sehr genau.
Detroit, im Nordosten der USA an der Grenze zu Kanada gelegen, war einst eine blühende Industrie-Metropole, begründet vor allem durch die „Big Three“, die drei großen US-amerikanischen Autobauer General Motors, Ford und Chrysler. Noch immer haben sie in Detroit und im Großraum Detroit ihren Sitz. Vor 100 Jahren startete Henry Ford in Detroit mit der Fließband-Produktion seines „Tin Lizzy“ (Blechliesl) genannten Model-T und schrieb damit Geschichte.
Noch in den 50er Jahren war Detroit mit 1,8 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der USA, stolz „Motown“ oder „Motor City“ genannt. Seither aber ging es in mehreren Krisenwellen steil bergab. In den vergangenen Jahrzehnten erlebte die Stadt einen einzigartigen Niedergang. Mit den Krisen der Autoindustrie schlossen viele Fabriken oder wurden in die umliegenden Städte verlagert, Tausende verloren ihre Jobs, ganze Wirtschaftszweige wanderten ab, die Steuereinnahmen brachen ein.
Mit einer Arbeitslosenquote von 18,6 Prozent im vergangenen Jahr belegte Detroit den dritten Platz nach Oakland und Fresno (beide Kalifornien). Heute zählt Detroit nur noch rund 685 000 Einwohner. Seit langem gehört Detroit zudem zu den größten sozialen Brennpunkten der Vereinigten Staaten mit einer hohen Kriminalität.
Zwar geht es den drei großen Autokonzernen nach dem Absturz in der Finanzkrise vor ein paar Jahren inzwischen wieder vergleichsweise gut. Dies liegt aber auch daran, dass sie sich gesundgeschrumpft haben. Der Niedergang der Stadt wurde nicht gestoppt. Nur noch einmal im Jahr ist Detroit Mittelpunkt der Autowelt, wenn sich im Januar bei der traditionellen Detroit Auto Show die Branche trifft.
Zuletzt war Detroit kaum mehr fähig, die Kosten für seine Straßenbeleuchtung zu zahlen. Einsätze von Polizei und Feuerwehr wurden auf die wichtigsten Notrufe reduziert, die Müllabfuhr kam zu spät, und Müllsäcke häuften sich vor den Häusern.
Anders als Detroit können deutsche Städte nicht pleite gehen - darauf wies der Deutsche Städtetag hin. „In Deutschland ist die Insolvenz von öffentlichen Gebietskörperschaften gesetzlich ausgeschlossen“, erläuterte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus, in Berlin. Es existiere ein gesamtstaatlicher Haftungsverbund aus Bund, Ländern und Kommunen. „Das heißt, dass im Extremfall die Länder für die Kommunen einstehen müssen.“