BBC: Nato-Bericht zeigt Bande zwischen Taliban und Pakistan
London/Kabul (dpa) - Seit langem gibt es Berichte über Unterstützung aus Pakistan für die Taliban. Nun zitiert die BBC ein Nato-Dokument zum Ausmaß der Verbindungen. Die pakistanische Regierung weist die Vorwürfe zurück.
Die Nato hat einem Bericht der britischen BBC zufolge Beweise für eine direkte Unterstützung der Taliban durch pakistanische Sicherheitskräfte. Die BBC habe Einsicht in das geheime Dokument bekommen, berichtete der Sender am Dienstagabend. Ein Sprecher der Nato-geführten Schutztruppe Isaf in Kabul bestätigte die Existenz des Berichtes, warnte jedoch vor Fehlinterpretationen.
Pakistans Außenministerin Hina Rabbani Khar warf die Vorwürfe am Mittwoch bei einem Besuch in der afghanischen Hauptstadt zurück. „Für mich ist das alter Wein in einer noch älteren Flasche“, sagte sie. Diese Anschuldigungen gebe es seit Jahren. Ein Regierungssprecher in Islamabad nannte den Bericht „realitätsfern“ und verwies auf Pakistan Engagement im Kampf gegen radikal-islamische Extremisten.
Die Bundesregierung wollte den geheimen Bericht nicht direkt kommentieren. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte: „Diese Spekulation, dass der pakistanische Geheimdienst in dieser oder jener Rolle tätig sein soll, ist so alt, wie der Afghanistan-Einsatz alt ist.“ Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes bekräftigte das Ziel der Staatengemeinschaft, dass es in Afghanistan keine Rückzugsmöglichkeit für den internationalen Terrorismus geben solle. Das gelte über den für 2014 geplanten Abzug der Kampftruppen hinaus.
Nach Angaben der BBC basiert die Untersuchung mit dem Titel „State of Taleban“ auf 27 000 Verhören von festgenommenen Kämpfern der radikalislamischen Taliban und Angehörigen der Terrororganisation Al-Kaida. Der Bericht beleuchte die Perspektive der Gefangenen. Diese hätten gezeigt, wie eng die Bande der Taliban zum pakistanischen Geheimdienst ISI wirklich seien. Zudem wisse Pakistan über den Aufenthaltsort führender Taliban-Funktionäre bescheid.
In dem Nato-Bericht, den ein Sprecher des Bündnisses gegenüber der BBC als „nicht für die Öffentlichkeit bestimmt“ eingestuft hatte, wird auch dargelegt, wie stark afghanische Sicherheitskräfte mit den Aufständischen verflochten sind. Während der Einfluss von Al-Kaida schwinde, steige der der Taliban immer weiter. Besonders spürbar sei das dort, wo sich die Isaf zurückziehe, heißt es. Zudem könnten Aufständische auf die Unterstützung weiter Teile der afghanischen Bevölkerung bauen.
Das Dokument liefere einen Überblick über die Ansichten von Taliban-Kämpfern in Gefangenschaft, sagte Isaf-Sprecher Brian Badura in Kabul. Diese „Kommentare und Träumereien“ dürften jedoch nicht dazu verwandt werden, falsche Rückschlüsse über den „Verlauf des militärischen Engagements“ der Nato in Afghanistan zu ziehen.
Die britische Zeitung „The Times“ berichtete am Mittwoch unter Berufung auf das Dokument, die Taliban wendeten inzwischen westliche Marketingmethoden an, um die Herzen und Köpfe der Bevölkerung zurückzugewinnen. Sie versuchten erfolgreich, sich positiv von der unter Korruptionsverdacht stehenden Regierung abzuheben. So hätten die Taliban ein System von Service-Telefonnummern eingerichtet, unter denen die Menschen Fälle von Korruption melden könnten. Der Fokus der Taliban liege auf zivilen Anstrengungen, weniger auf militärischen.
Vor dem Hintergrund der jüngsten Enthüllungen führte Pakistans Außenministerin in Kabul Gespräche mit Präsident Hamid Karsai und weiteren Regierungsvertretern. Dabei ging es auch um die Bemühungen Karsais, Friedensgespräche mit den Taliban anzuschieben. Am Montag war aus Regierungskreisen in Kabul verlautet, dass demnächst ein Treffen zwischen den Aufständischen und Abgesandten der afghanischen Regierung in Saudi-Arabien stattfinden soll. Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid nannte die Berichte am Mittwoch „unwahr“.
Im unruhigen Süden Afghanistans wurde unterdessen erneut ein Nato-Soldat erschossen. Wie die Isaf am Mittwoch mitteilte soll der Täter eine Uniform der afghanischen Armee getragen haben. Unklar war zunächst, ob es sich bei dem Schützen um einen Soldaten oder einen verkleideten Aufständischen handelte. Erst vor eineinhalb Wochen hatte ein afghanischer Soldat vier Franzosen getötet.