Bewaffnete stürmen libysches Parlament
Tripolis (dpa) - Die blutigen Unruhen in Bengasi mit mindestens 75 Toten haben am späten Sonntagabend auch Libyens Hauptstadt Tripolis erfasst. Dort stürmten Bewaffnete das Parlament.
Später entbrannten in der Stadt heftige Schießereien, in deren Verlauf nach Angaben der Behörden mindestens zwei Menschen starben und 66 weitere verletzt wurden, berichtete der Sender CNN.
Bei den Angreifern handelt es sich um abtrünnige Soldaten, die sich aber als libysche Nationalarmee bezeichnen. Ihr Ziel ist nach Angaben eines Sprechers die Vertreibung der islamistischen Milizen und deren Unterstützer aus dem krisengebeutelten Land.
Die Truppe steht unter dem Befehl des früheren Generalmajors Chalifa Haftar, der die eigenmächtige Militäroperation gegen radikal-islamische Brigaden am Freitag in Bengasi gestartet hatte und am Sonntag ausweitete. Die Offensive hat nach Berichten lokaler Medien mindestens 75 Menschen das Leben gekostet, weitere 141 wurden verletzt. Nach dem Blutvergießen in Bengasi sprach Haftar im libyschen Fernsehen von „Säuberungsaktionen“.
Die Übergangsregierung in Tripolis kritisierte dies scharf. Aus Furcht vor neuer Gewalt und Luftschlägen verhängte die Armeeführung ein Flugverbot über Bengasi. Bei den dortigen Kämpfen soll auch ein Hubschrauber zum Einsatz gekommen sein.
Wie die Nachrichtenagentur Lana berichtete, sperrten die aufständischen Soldaten am Sonntag zunächst alle Straßen zum Parlament in Tripolis. Die Abgeordneten unterbrachen daraufhin ihre Sitzung. In die Luft schießend stürmten die Bewaffneten schließlich das Gebäude. Am späteren Abend schließlich kam es zu Schießereien zwischen den aufständischen Soldaten und Milizen.
Ein Sprecher der Haftar-Truppe, Mohammed al-Higasi, sagte der Nachrichtenagentur dpa, seine Soldaten wollten nun Extremisten auch in Tripolis bekämpfen, festnehmen und ihre Unterstützer im Parlament bestrafen. Haftar hatte bereits im vergangenen Frühjahr erfolglos versucht, die damalige Regierung zu stürzen.
Bengasi galt zu Beginn des Aufstands gegen den früheren Machthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 als Wiege der Revolution. Aus den damaligen „Revolutionsbrigaden“ sind schwer bewaffnete Milizen geworden, die nicht bereit sind, ihre Macht wieder abzugeben.
Der Osten Libyens hat sich inzwischen zu einem weitgehend rechtsfreien Raum entwickelt.