Blutige Unruhen in Kairo rücken Militär ins Zwielicht

Kairo (dpa) - Nach den blutigen Straßenkämpfen zwischen Christen und dem Militär wird in Ägypten nach den Schuldigen gesucht. Die Vereinigungen der koptischen Christen machten am Dienstag die Armeeführung für das Blutbad in Kairo mit 26 Toten verantwortlich.

Diese bestritt jedoch, die Militärpolizisten mit scharfer Munition versehen zu haben. Finanzminister Hazem al-Beblawi erklärte am Dienstag aus Enttäuschung über das diesbezügliche Versagen der Übergangsregierung seinen Rücktritt.

In der Nacht trugen die Kopten ihre Opfer der Gewalt zu Grabe. Ein machtvoller Trauerzug mit 20 000 Teilnehmern zog von der Ramses-Straße zur großen koptischen Kathedrale im Stadtteil Abbasija, wo die Totenmesse gelesen wurde. Das berichtete die Webseite almasryalyoum.com.

Bei den bisher schlimmsten gewalttätigen Zusammenstößen seit dem Sturz des autoritären Präsidenten Husni Mubarak im Februar dieses Jahres seien 22 christliche Zivilisten, 3 Soldaten und ein Polizist ums Leben gekommen, hieß es am Dienstag aus Sicherheitskreisen in Kairo. Die Armee äußerte sich offiziell nicht zur Zahl der getöteten Soldaten.

Den Ausschreitungen der Sicherheitskräfte war am Sonntagabend eine friedliche Demonstration der Kopten vorausgegangen. Die Religionsgruppe hatte dagegen protestiert, dass zehn Tage zuvor eine ihrer Kirchen in der südlichen Provinz Assuan von einem muslimischen Mob niedergebrannt worden war.

Die betroffene Kirche soll ohne Genehmigung erbaut worden sein - wobei die Christen in Ägypten selten die behördliche Erlaubnis für den Bau eines neuen Gotteshauses erhalten. Die Übergangsregierung will nun binnen zwei Wochen eine revidierte Version des Gesetzes vorlegen, das den Bau von Gotteshäusern regelt.

Die Militär-Staatsanwaltschaft nahm am Montagabend 19 Christen und zwei Muslime in Untersuchungshaft, denen sie Zerstörung öffentlichen Eigentums und Angriffe auf die Armee vorwirft. Die Anzahl der festgenommenen Christen stehe in merkwürdiger Diskrepanz zum Anteil der Christen unter den Getöteten, stellten Beobachter fest.

Die Vereinigungen der koptischen Christen suchten die Schuld für die blutigen Zusammenstöße beim Militär. „Das gewalttätige Vorgehen (der Soldaten) war schlimmer als das, was die israelische Armee mit den Palästinensern macht, die Kassam-Raketen abfeuern“, hieß es in ihrer gemeinsamen Erklärung, die am Dienstag von der christlichen Zeitung „Watani“ veröffentlicht wurde.

Finanzminister Al-Beblawi (74) begründete seinen Rücktritt am Dienstag mit der „schwachen Leistung der Regierung beim Umgang mit den Zusammenstößen“. Das erfuhr die Nachrichtenagentur dpa am Dienstag aus Regierungskreisen. Der ausgewiesene Experte für Finanzen und Entwicklungspolitik war zugleich auch Vize-Ministerpräsident für die Wirtschaft und erst seit Juli dieses Jahres im Amt. Zuvor hatte er jahrelang für internationale Finanzorganisationen gearbeitet, zuletzt für den Arabischen Währungsfonds in Abu Dhabi.

Ein Mitglied des an die Stelle Mubaraks getretenen Militärrates, General Ismail Etman, erklärte der BBC, dass die Militärpolizei bei den Zusammenstößen am Sonntag keine scharfe Munition eingesetzt habe. Dem widersprachen allerdings die ersten Obduktionsberichte, wonach zahlreiche Demonstranten an Schussverletzungen gestorben seien, berichtete die Webseite ahram.org. Aufklärungsbedürftig bleibe außerdem, warum zwei Radpanzer der Armee an jenem Abend in die Menge der Demonstranten gerast waren und mehrere Menschen praktisch zermalmt hatten, meinten Bürgerrechtsaktivisten in Kairo.

Die tragischen Ereignisse riefen weltweit bestürzte Reaktionen hervor. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ermahnte die Ägypter zur Besinnung auf den historischen Wandel vom Jahresanfang. Von den Behörden der Übergangsregierung forderte Ban, die Menschen- und Bürgerrechte aller Ägypter zu schützen, gleich welchen Glaubens sie sind.

US-Präsident Barack Obama rief alle Seiten zur Mäßigung auf. „Diese tragischen Ereignisse sollten zeitnahen Wahlen und einem fortgesetzten Übergang in eine friedfertige, gerechte und umfassende Demokratie nicht im Wege stehen“, teilte das Weiße Haus in Washington am Montag (Ortszeit) mit.