Bomben in Dampfkochtöpfen? Flut von Hinweisen nach Terroranschlag in Boston
Boston (dpa) - Der Bombenanschlag von Boston hat weltweit Bestürzung ausgelöst und die Angst vor Terror bei Großveranstaltungen neu entfacht. Täter und Tatmotiv waren am Dienstag noch unbekannt.
US-Präsident Barack Obama sprach aber erstmals ausdrücklich von einem Terrorakt. Der Sender CNN berichtete unter Berufung auf eine Pentagon-Quelle, dass es bisher keine Hinweise darauf gibt, dass das Terrornetzwerk Al-Kaida hinter dem Anschlag steckt. Bei der Explosion zweier Sprengsätze während des Boston-Marathons waren am Montagnachmittag drei Menschen getötet und 176 weitere verletzt.
Die Ermittler gehen nach eigenen Worten „einem Berg von Hinweisen“ nach. Nach unbestätigten Berichten wurde unter anderem nach einem dunkelhäutigen Mann gesucht, der mit zwei Rucksäcken am Tatort gesehen worden sein soll. CNN zufolge steckten die Bomben in Dampfkochtöpfen, die wiederum in Rucksäcken verstaut gewesen seien. Der Sender bezog sich dabei auf Ermittlerkreise. Demnach wurden die Explosionen wahrscheinlich durch Zeitzünder ausgelöst. Dass Handys verwendet wurden, sei eher unwahrscheinlich.
Es ist der erste tödliche Bombenanschlag in den USA seit den Terrorangriffen vom 11. September 2001. Unter den Todesopfern ist ein achtjähriger Junge, dessen Mutter und sechsjährige Schwester schwer verletzt überlebten. Mehreren Patienten mussten die Beine amputiert werden. Insgesamt 17 Verletzte waren auch am Dienstag noch in kritischem Zustand. Deutsche kamen nach Angaben des Auswärtigen Amtes nicht zu Schaden.
Obama sprach von einem „gemeinen und feigen“ Verbrechen und ließ die Flaggen an öffentlichen Gebäuden im Land bis Samstagabend auf Halbmast setzen. „Jedes Mal, wenn Bomben benutzt werden, um unschuldige Zivilisten ins Visier zu nehmen, ist es eine terroristische Gewalttat“, sagte der US-Präsident am Dienstag im Weißen Haus. Es werde etwas dauern, bis klar sei, auf wessen Konto das Verbrechen gehe. „Aber wir werden es herausfinden“, sagte Obama.
Rick DesLauriers von der Bundespolizei FBI berichtete auf einer Pressekonferenz von „sehr aktiven“ Ermittlungen und betonte zugleich, dass es keine weiteren Bedrohungen gebe. Ermittlungsdetails wollte er nicht nennen.
Auch zu Berichten, wonach ein verletzter junger Student aus Saudi-Arabien verhört und im Krankenhaus von der Polizei bewacht werde, äußerte er sich nicht. Wie CNN unter Berufung auf Ermittlerkreise berichtete, stufen die Behörden den Mann aber inzwischen nicht mehr als tatverdächtig ein. Der Student war bei der Explosion verletzt worden und aufgefallen, weil er wegzurennen versuchte. CNN zufolge gab er bei der Vernehmung an, dass er einfach Angst gehabt habe. Die Behörden glaubten ihm.
Nach Angaben des Gouverneurs von Massachusetts, Deval Patrick, wurden bei dem Anschlag über die beiden explodierten Bomben hinaus keine weiteren Sprengsätze gelegt. Zunächst hatte es in Medienberichten geheißen, dass möglicherweise zwei oder drei weitere Bomben entdeckt worden seien, die glücklicherweise nicht funktioniert hätten.
Im Fernsehen äußerten Experten die Vermutung, dass es sich wohl nicht um eine internationale Terroraktion gehandelt habe. So sei der Angriff augenscheinlich zwar sorgfältig geplant, aber die Sprengsätze seien klein und nicht sehr ausgeklügelt gewesen. Sonst hätte es weitaus mehr Todesopfer gegeben.
Die Bomben waren am Montag um 14.50 Uhr Ortszeit binnen 12 Sekunden in der Nähe der Ziellinie detoniert, die bereits Stunden zuvor von den ersten Läufern überquert worden war. „Ich hörte zwei sehr laute Explosionen“, berichtete ein Augenzeuge. „Boston-Globe“-Fotograf John Tlumacki sagte CNN: „Ich sah abgerissene Beine, abgerissene Füße, Menschen auf Menschen getürmt.“
Die deutsche Marathonläuferin Sabrina Mockenhaupt aus dem Siegerland war zum Zeitpunkt der Explosion bereits 200 Meter vom Tatort entfernt im Hotel. Sie sagte: „Unglaublich. Unfassbar. Ich bin total geschockt.“
Kurz nach den Explosionen schalteten die Behörden vorübergehend das Mobilfunknetz in Boston ab, um die Fernzündung möglicher weiterer Sprengsätze zu verhindern. Auch der Luftraum über der 625 000-Einwohner-Stadt wurde zwischenzeitlich gesperrt. In anderen größeren US-Städten wurden die Sicherheitsvorkehrungen ebenfalls verstärkt.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die „sinnlose Gewalt“. Kremlchef Wladimir Putin sprach von einem barbarischen Verbrechen und forderte eine aktive Koordination des weltweiten Anti-Terror-Kampfs. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte die Hoffnung, dass die Schuldigen bald zur Rechenschaft gezogen werden.
Papst Franziskus sagte in Rom, er sei zutiefst traurig über die „sinnlose Tragödie“. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und der britische Premierminister David Cameron reagierten ebenfalls schockiert.
Die pakistanischen Taliban bestritten jede Beteiligung. Der Sprecher der pakistanischen Taliban, Ehsanullah Ehsan, sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Wir wissen nicht, wer den Angriff ausgeführt hat und was die Absicht dahinter war.“ Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) hatte die Verantwortung für einen gescheiterten Autobombenanschlag auf dem New Yorker Times Square im Jahr 2010 übernommen und den USA mit Anschlägen gedroht.
Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 finden große Sportereignisse in den USA unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Der Boston-Marathon gehört zu den populärsten Rennen an der amerikanischen Ostküste.
Die Organisatoren von Großveranstaltungen wie dem Marathon in London und Berlin, der Leichtathletik-WM in Moskau oder den Olympischen Spielen 2016 in Rio kündigten eine Überprüfung ihrer Sicherheitskonzepte an. Sowohl in London als auch in Hamburg sind für Sonntag Marathonläufe angesetzt, die wie geplant stattfinden sollen.