Boston ist nach dem Blutbad bis ins Mark erschüttert

Es sollte ein Tag der Freude werden. Doch nun herrschen in der Stadt Erschöpfung, Schmerz und Furcht.

Boston. Stunden nach der letzten Explosion zittert die Stadt Boston noch immer. Zerstört ist die Freude eines Tages, der unbekümmert und fröhlich werden sollte. Dieselben lebendigen Straßen, die seit mehr als 100 Jahren von den Turnschuhen der Marathonläufer und Feiernden abgelaufen werden, liegen in der Nacht zu Dienstag aufgerissen und tot da.

Sirenen und das Brummen von Hubschraubern zerschneiden immer wieder die Stille, während Spezialeinheiten der Polizei und Krankenwagen zwischen der Ziellinie und den vielen Krankenhäusern hin- und hereilen.

Mindestens drei Tote und mehr als 170 Verletzte, melden die Behörden. Die Zahlen können nicht annähernd ausdrücken, wie tief es die in Erschöpfung, Schmerz und Furcht versunkene Stadt im Innern getroffen hat.

„Es ist wirklich, wirklich hart für alle unsere Mitarbeiter, denn so etwas haben wir noch niemals gesehen“, sagt Hana Dubski, Assistenzärztin am Brigham and Women’s Hospital. Stundenlang behandeln sie und ihre Kollegen Verletzungen — von kleinen Verbrennungen bis zu Beinen, die von Splittern so zerfetzt sind, dass sie amputiert werden müssen.

„Alles ging wirklich schnell, wir wurden unterrichtet, dass es zahlreiche Opfer gab, und sofort strömten Leute in die Notaufnahme“, sagt Dubski. Sie spricht sozusagen klinisch und vermeidet grausame Details zugunsten der unbestreitbaren Fakten: Niemand ist auf solch eine Tragödie vorbereitet, und keiner weiß so recht, wie damit umzugehen ist.

John Tlumacki, Fotograf der Tageszeitung „Boston Globe“, verfolgte gerade das Rennen, als die Bomben hochgingen. „Ich sah abgerissene Beine, abgerissene Füße, Menschen auf Menschen getürmt“, erzählt er dem Nachrichtensender CNN. „Ich fürchte, die Totenzahl wird größer werden als die drei bisher.“

Die mitten in der Innenstadt gelegene Hauptverkehrsader Boylston Street, die als Zielgerade diente, wirkt am Tag nach den Anschlägen gespenstisch: Der Wind weht die immer noch auf dem Boden liegenden leeren Trinkflaschen, Bananenschalen und Müll durch die Gegend.

Die Polizei lässt niemanden auf die Strecke, auch nicht die Stadtreinigung, schließlich könnte jedes Stück Müll auch ein Beweisstück sein. Verlassen stehen die Versorgungsstände am Straßenrand, palettenweise Müsliriegel und Wasserflaschen konnten nicht mehr von den Läufern mitgenommen werden. SWAT-Spezialeinheiten der Polizei patrouillieren.