Brasiliens neue Regierung startet
Brasilia (dpa) - Nach dem Auszug der suspendierten Staatspräsidentin Dilma Rousseff hat Brasiliens Interimspräsident Michel Temer die Amtsgeschäfte im Regierungspalast übernommen. Die 24 Minister unterzeichneten am Donnerstagabend (Ortszeit) die Ernennungsurkunden.
Die Ministerien werden nur von Männern geführt, dem Kabinett gehört keine einzige Frau an. Er kündigte eine „Regierung der nationalen Rettung“ an. „Wir wollen das Land vereinen und befrieden“, sagte er.
Temer versprach, dass von der linken Arbeiterpartei eingeführte Programme wie die Familiensozialhilfe und der soziale Wohnungsbau fortgeführt würden. Rousseffs Arbeiterpartei sieht es als ihr großes Verdienst an, mit den Sozialprogrammen rund 40 Millionen Menschen aus der Armut befreit zu haben. Die größte Herausforderung ist laut Temer die Wiederbelebung der Wirtschaft und die tiefe Rezession.
„Wir wollen die Arbeitslosenzahl reduzieren“, versprach er. Im fünftgrößten Land der Welt sind 11,1 Millionen ohne Job. 2015 war die Wirtschaftsleistung um 3,8 Prozent eingebrochen für 2016 wird ein ähnlicher Einbruch erwartet. Die Börse und die Landeswährung Real legen seit Wochen zu, Temer genießt mehr Vertrauen bei den Märkten.
Neben Temers Partei der demokratischen Bewegung (PSMDB) als stärkster Kraft bekommen Politiker acht weiterer Parteien Ministerposten. So will Temer sicherstellen, dass er anders als zuletzt Rousseff eine ausreichend breite Koalition hat, um Reformen in Abgeordnetenhaus und Senat durchsetzen zu können. Rousseff war am Donnerstag mit 55:22 Stimmen vom Senat für ein halbes Jahr abgesetzt worden. Ihr werden unerlaubte Kreditvergaben und die Verschleierung der tatsächlichen Haushaltslage vorgeworfen - sie weist das zurück und spricht von einem Putsch. In den 180 Tagen der Suspendierung werden die Vorwürfe juristisch geprüft. Im Herbst kann der Senat sie endgültig absetzen.
Temers Partei PMDB war seit 2003 Partner der Arbeiterpartei. Durch den Bruch der Koalition und die folgende Unterstützung des Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff wurde der Wechsel möglich. In Reihen der PMDB stehen führende Politiker unter Korruptionsverdacht, Parlamentspräsident Eduardo Cunha wurde in der Vorwoche abgesetzt.
Rund 80 Tage vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro bekommt Brasilien durch die Rochaden auch den dritten Sportminister in diesem Jahr. Interimspräsident Temer nominierte den 36 Jahre alten Leonardo Picciani von Temers Partei PMDB als Sportminister. Er entstammt einer berühmten Politikerfamilie aus Rio. Sein Vater Jorge Picciani ist ein einflussreicher PMDB-Politiker und Präsident der Stadtversammlung.
Eigentlich sollte zur Wahrung von Kontinuität Ricardo Leyser zunächst Minister bleiben. Leyser war erst Ende März auf Sportminister George Hilton gefolgt, dessen republikanische Partei mit Rousseff gebrochen hatte.