Bundespräsident Wulff bei Kaiser Akihito
Tokio (dpa) - Bundespräsident Christian Wulff hat bei seinem Besuch in Japan ein weltweites Umsteuern zum Abbau der Staatsverschuldung gefordert. Die derzeitige Schuldenkrise sei nicht auf Europa beschränkt, sondern ein „weltweiter Trend“, sagte Wulff auf einer Pressekonferenz in Tokio.
„Jedes Land muss seine Schularbeiten machen“, meinte der Bundespräsident. Er traf am zweiten Tag seiner Japanreise auch mit Kaiser Akihito und Regierungschef Yoshihiko Noda sowie mit Unternehmern zusammen. Dabei ging es auch um die Zukunft der Kernenergie nach der Katastrophe von Fukushima.
Die gegenwärtige Krise sei keine Krise des Euro, sagte Wulff vor Journalisten. „Der Euro als Währung ist eine Erfolgsgeschichte“. Aber es gebe eine Bankenkrise, weil „gespielt und spekuliert worden ist in einem Umfang, der alle Vorstellungen übersteigt“. Und es gebe eine Staatsschuldenkrise, die nur überwunden werden könne, wenn jedes Land zur Konsolidierung und zum nachhaltigen Wirtschaften zurückkehrt. Die Chance dieser Krise für Europa bestehe darin, dass nun Verstöße gegen Stabilitätskriterien kontrolliert und sanktioniert werden müssten.
Bei einem Treffen mit Ministerpräsident Noda am Montagabend (Ortszeit) warb Wulff für einen Ausbau der deutsch-japanischen Wirtschaftsbeziehungen. Die dritt- und viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt sollten ihr volles Potenzial nutzen. Gegenüber Noda und anderen Spitzenpolitikern setzte sich Wulff auch für eine stärkere Regulierung des Finanzsektors ein - das Thema ist in Japan wegen der Bedeutung des Finanzplatzes Tokio nicht besonders populär.
Zuvor hatte Kaiser Akihito den deutschen Staatsgast im kaiserlichen Palast von Tokio begrüßt. Offizieller Anlass des fünftägigen Besuchs ist der 150. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Tokio und Berlin. Bei dem Treffen übermittelte Wulff noch einmal die deutsche Anteilnahme nach Erdbeben, Tsunami und Atomkatastrophe, die Japan im März getroffen hatten. Beim Mittagessen im Palast, das von klassischer Musik und deutschen Volksliedern umrahmt war, ging es auch um andere Aspekte der bilateralen Beziehungen.
Mit Vorstandsvorsitzenden japanischer Konzerne erörterte Wulff am Montag Konsequenzen aus dem Atomunfall von Fukushima. Über die Zukunft der Kernkraft gab es unterschiedliche Positionen, die nach Angaben aus Delegationskreisen vor dem Bundespräsidenten offen diskutiert wurden. Vor der Presse verteidigte Wulff den nach Fukushima beschlossenen Atomausstieg in Deutschland. Die Diskussion darüber sei abgeschlossen.
Am Dienstag will sich der Bundespräsident im Katastrophengebiet selbst ein Bild von der Lage machen und mit Menschen sprechen, die immer noch in Behelfsunterkünften leben. Auch sieben Monate nach Erdbeben, Tsunami und Atomunfall sind noch Zehntausende ohne Obdach.