Cameron knüpft EU-Verbleib an strengere Migrationspolitik
Rocester (dpa) - Großbritanniens Premierminister David Cameron hat die Frage eines britischen EU-Austritts erstmals mit konkreten Forderungen zur Migrationspolitik verknüpft. Sollten die Bedingungen nicht erfüllt werden, hält er einen Austritt Großbritanniens aus der Union für nicht mehr ausgeschlossen.
„Wenn unsere Bedenken auf taube Ohren stoßen, schließe ich nichts aus“, sagte Cameron.
Einwanderer aus EU-Ländern nach Großbritannien sollen erst nach vier Jahren Wohngeld, Kindergeld und andere Wohlfahrtsleistungen beanspruchen können. Ins Land gelassen soll nur noch werden, wer ein Job-Angebot nachweisen kann - ungeachtet der in der EU geltenden Freizügigkeit. Wer nach sechs Monaten noch keine Arbeitsstelle angetreten hat, soll des Landes verwiesen werden können.
Die Bundesregierung bekräftigte als erste Reaktion auf Camerons Rede, sie habe in der Vergangenheit immer wieder die Wichtigkeit des Prinzips der Freizügigkeit in der EU unterstrichen und werde dies auch weiterhin tun.
„Wichtig ist, dass sich Premierminister Cameron in seiner Rede ebenfalls zu dieser zentralen Säule der Europäischen Union und des gemeinsamen Binnenmarktes bekannt hat“, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Die Bundesregierung sei bereit, in den von Cameron aufgeworfenen Fragen mit Großbritannien zusammenzuarbeiten „und den Versuch zu machen, gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden“.
Die Forderungen Camerons fielen in Teilen moderater aus als zunächst erwartet. Der britische Premier gab zu, dass zur Erfüllung zumindest einiger der Bedingungen die Änderung von EU-Verträgen nötig sein würde. Cameron hatte sich in der Migrationspolitik zuletzt stark an die rechtspopulistische Partei UKIP angelehnt, nachdem diese Wahlerfolge hatte feiern können. Am Freitag ging er öffentlich auf Distanz zu UKIP. „Glauben Sie nicht denjenigen, die einfache Lösungen versprechen“, sagte er.
Cameron war unter Druck geraten, nachdem sein Wahlversprechen, die Einwanderung zu begrenzen, von der Statistik klar widerlegt worden war. Statt weniger als 100 000 Migranten kamen in den vergangenen zwölf Monaten rund 260 000 Ausländer nach Großbritannien.
Seine Vorschläge will Cameron möglichst für alle EU-Länder einführen, notfalls aber auch mit einer Ausnahmeregelung auf Großbritannien begrenzen. „Wenn ich damit Erfolg habe, werde ich für den Verbleib in der EU argumentieren“, sagte Cameron am Freitag. „Wenn ich es nicht schaffe, schließe ich absolut nichts aus.“
Bedingung für entsprechende Verhandlungen mit Brüssel ist jedoch die Wiederwahl des Konservativen Regierungschefs im Mai nächsten Jahres. Für den Fall seines Wahlerfolgs hat Cameron für Ende 2017 ein Referendum über den Verbleib in der EU angekündigt.
„Es handelt sich hier um Vorschläge Großbritanniens, und sie sind Teil der Debatte“, sagte ein Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. „Sie müssen unaufgeregt betrachtet werden und sollten ruhig und sorgfältig diskutiert werden.“ Er wies darauf hin, dass es den Mitgliedsländern und ihren Parlamenten selbstverständlich freistehe, den Missbrauch des Wohlfahrtssystems zu bekämpfen. „Die EU-Gesetze erlauben dies.“